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Bad Hair Years

Bad Hair Years

Titel: Bad Hair Years
Autoren: M Kink
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verspiegelten Saal herumhüpft. Es müssen die vielzitierten Endorphine sein, leider verstehen die meinen nicht, warum sie sich ausgerechnet jetzt ausschütten sollen, wenn sie es doch nicht mal im Frühling schaffen. Dazu kommt, dass es mir in Turnhallen schnell zu eng wird. Es fällt mir schwer, im Vierfüßlerstand Pilatesübungen zu machen, wenn mir ein fremder Hintern zehn Zentimeter vorm Gesicht hängt.
    Studios sind eine Parallelwelt, in der die Menschen hautenge Kunstfasern tragen, ohne alle zwei Sekunden befremdet daran herumzuzupfen oder mal einen ehrlichen Blick in den Spiegel zu werfen. Man ernährt sich von Bananen und Müsliriegeln und trinkt kunterbunte Drinks, aber ohne Alkohol. Wo da der Sinn steckt, muss man mir auch mal erklären. Dann hängt man sich ein Handtuch um den Hals, setzt sich auf ein Fahrrad und tritt alle halbe Stunde einmal in die Pedale, während man die neue Brigitte liest, eine Soap schaut oder der besten Freundin erzählt, was der Kerl wieder alles verbrochen hat, das Schwein. Alles in allem dauert ein solches Training drei Stunden. Zwei davon gehen für Solarium, Duschen, Haare, Eincremen, Schminken, Müsliriegel und Drink an der Bar drauf. Dafür fährt man mit einer Tasche, die selbst mir für zwei Wochen reichen würde, quer durch die ganze Stadt. Ich habe Neuigkeiten, meine Damen: Das alles geht weit bequemer zu Hause. Ich wage sogar zu behaupten, dass man mehr Kalorien verbrennt, wenn man gemütlich auf der Couch ein Buch liest und ab und zu aufsteht, um sich was aus der Küche zu holen. So lange es keine Familienpackung Häagen-Dazs ist.
    Heute aber schienen mir die Chrommaschinen plötzlich sehr interessant. Interessant, aber kompliziert. Ein Grund könnte sein, dass ich mich morgens ohne Vorwarnung nackt im Spiegel sah. Pudding. Vanillepudding. Nicht so schön. Es erschien mir folglich eine großartige Idee, mir die Chrommonster mal schnell erklären zu lassen, damit ich demnächst irgendwann mal alleine auf dem Gerätespielplatz rumtollen könnte. Irgendwann! Aber doch nicht gleich! Immerhin war der Sonntag schon fast rum, und ich war überhaupt noch nicht auf der Couch rumgelegen. Der herbeigerufene Personal Trainer verstand meine Bitte nach »schnell mal« leider nicht richtig, er hörte nur, dass ich keinen Trainingsplan besaß und reagierte, als hätte er mich ohne Führerschein mit 1,8 Promille in einem Wagen ohne TÜV erwischt. Ich für meinen Teil wusste nach zehn Jahren Mitgliedschaft noch nicht einmal von der Existenz von Trainingsplänen. Es war wohl meinem hilflosen Gesichtsausdruck zu verdanken, dass er mich nicht sofort vor die Tür setzte, so ganz ohne license to sweat, wie ich da stand. Zudem hatte ich nicht den Hauch von Funktionswear am Leib, und auf meinem T-Shirt stand auch überhaupt nichts drauf, nicht mal »Outdoor Experience 2000« oder so was.
    Ich dachte an meine Muskeln, gab nach, und ließ mir einen Plan erstellen. In den nächsten zwei Stunden musste ich erfahren, dass ich überhaupt keine Kraft habe. Das hat mich dann doch erstaunt, denn wohl sah ich den Pudding, hielt mich aber trotzdem für relativ fit. Traurige Tatsache ist: Ich kann mein eigenes Gewicht kaum hochziehen und beim Laufen piepst der Pulsmesser, als stünde ich kurz vorm Herzinfarkt. Das ist insofern äußerst seltsam, als ich meinen Blutdruck tagtäglich morgens mit Kaffee, Nikotin und Radfahren puschen muss, damit ich nicht sofort wieder umfalle. Bei mir funktioniert schon immer alles unter: Blutdruck, Schilddrüse, Zucker, Stimmung, Konzentration. Das ist bei Weitem nicht so schlimm, wie es sich anhört, aber jetzt das. Und das mir. Ich mag und mache Sport, schon immer, ich bin mit einem ziemlichen Bewegungsdrang ausgestattet und tue mich schwer mit Stillhalten. Ich wollte weinen ob der Schmach, denn Sport ist tatsächlich der einzige Bereich in meinem Leben, in dem ich annähernd so etwas wie Ehrgeiz entwickle.
    Am Schluss der zweistündigen Tortur musste ich auf eine Waage steigen. Eine Waage, die – drückt man den richtigen Knopf – wahrscheinlich auch meinen aktuellen Kontostand anzeigen könnte. Gott sei Dank falle ich angesichts solcher Zahlen nicht mehr in Ohnmacht, ich kenne mein Gewicht, und meinen derzeitigen Kontostand kann man sich ja denken. Dass alle Waagen außer der eigenen zwanzig bis dreißig Kilo mehr anzeigen, so etwas weiß man, deswegen muss man nicht gleich den Rest des Tages heulen. Man steigt in einer Apotheke zum Beispiel auch nicht auf die
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