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Bad Hair Years

Bad Hair Years

Titel: Bad Hair Years
Autoren: M Kink
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Waage, am Ende noch im Wintermantel und mit Handtasche oder wie dumm denn noch. Ich kenne jetzt meine Muskelmasse, meinen Fettanteil, meinen Flüssigkeitshaushalt auch, und der Herr Trainer versicherte mir, es seien gute Werte, es fehle mir halt nur ein bisschen an Muskeln. Das wird sich jetzt ändern, denn ich werde mich an den Trainingsplan halten. So lange, bis mir wieder langweilig wird. Vielleicht versuche ich es danach wieder mit Yoga, Yoga macht schöne Oberarme, leider denke ich statt Om immer nur »Scheiße, aua, mein Becken«. Bis mir das dann wieder zu doof wird, ist es bestimmt morgens schon wärmer draußen, dann kann ich wieder an der Isar laufen, und hoffentlich ist der junge Mann in der grünen Trainingshose vom letzten Herbst dann auch wieder da. Vielleicht lernen sogar meine Endorphine bis dahin, wie man sich richtig ausschüttet, denn ich hätte doch auch so gerne mal dieses Runner’s High, von dem immer alle reden. Zwar fühle ich mich gut, aber high geht anders, das weiß ich. Falls nein, helfe ich ihnen auf die Sprünge, indem ich dem jungen Mann endlich mal hinterhersprinte. Ich hoffe, er kann Mund-zu-Mund Beatmung.

Glückskink
    Denn Reanimationsmaßnahmen brauche ich, als Petra am nächsten Morgen anruft: »Ich hab denen deine Nummer gegeben und gesagt, du kannst das schreiben.«
    Sseisse, jetzt hab ich mir die Tsunge verbrannt. Ich verschlucke mich am Kaffee, die Hälfte landet auf dem Laptop. Während ich sprachlos den Bildschirm mit einem Taschentuch noch mehr verschmiere, erklärt Petra geduldig: Es handelt sich um eine Kolumne für ein Münchner Shoppingmagazin, für die sie schlicht und einfach keine Zeit mehr hat. So beschäftigt ist man also als Freiberufler, vielleicht sollte ich mir gleich ein kleines Büro und eine Sekretärin anmieten. Der Text soll von Frauen und ihrem Schuhtick handeln, und jetzt finde ich auch meine Stimme wieder, ich meine: Komm zu Mama, Baby! Ich tausche barfuss gegen Absätze, ich kann mich sonst nicht ernst nehmen, stöckle in Trainingshose und Unterhemd durch die Wohnung und mache mich ans Werk.
    So komme ich, ohne selbst auch nur einen Finger zu krümmen, an den ersten Auftrag meines freiberuflichen Lebens. Der mir prompt gelingt – meine Schuh-Glosse wird freudig abgenommen, gedruckt und bezahlt, und ich muss mich erst mal hinlegen. Zwar unterscheidet sich der Text nicht sehr von all den anderen, die ich in all den Jahren vor mich hin geschrieben habe, aber die liefen unter Hobby, sprich Briefmarkensammlung, die sich sowieso keiner anschaut. Jetzt schreibe ich zum ersten Mal für Geld und gegen mein allgegenwärtiges »Hoffentlich merkt keiner was«-Gefühl an. Schließlich bin ich im Kopf immer noch genau so Sekretärin, wie ich im gleichen Kopf auch immer noch dick bin. Egal. Neues Motto: Bluffen, was das Zeug hält.
    Das alles, noch bevor ich den Businessplan abgegeben, geschweige denn fertig geschrieben habe. Dafür muss ich noch einige Schulungen und Vorträge der Agentur für Arbeit besuchen, denn dort »nehmen Experten den Existenzgründer an die Hand und vermitteln das Wesentliche und Wichtige in verständlichen Worten«. Ich glaub auch jeden Scheiß.
    Pflichtbewusst radle ich um 8:00 Uhr morgens zum Kurs und schwöre, diese letzte Hürde jetzt auch noch hinter mich zu bringen. Das Seminar erinnert mich ein bisschen an meinen VHS-Kurs hinter Schwabing, ist aber leider nicht so unterhaltsam. Es wimmelt von zukünftigen Unternehmern und Ich-AGs, und nicht einer hat genug Anstand, mir wenigstens Kekse anzubieten. Als der Seminarleiter, der mir im Übrigen heute noch ab und zu seine Unterstützung per E-Mail anbietet, wiederholt vom Bi-si-ness spricht, beschließe ich, dass drei Rauchpausen pro Stunde nicht genug sind, und mache mich in der letzten lautlos vom Acker. Ich kann das auch alleine, ich bin ja jetzt selbstständig, später werde ich sicherlich noch den ein oder anderen Praktikanten anheuern müssen. Ungefähr dann, wenn ich auch meine erste persönliche Assistentin angestellt habe, Rache ist süß. Nee, Moment, Karma.
    Schlussendlich erweist sich mein brandneuer Steuerberater als Retter in der Not. Er erklärt, korrigiert, rechnet, segnet und stempelt ab. Ruckzuck ist das Ding durch, und ich bin frei. Apropos frei: Falls mich jemand sucht, ich bin an der Isar.

Triangle Behind Gärtnerplatz
    Alles gut, alles super. Nur zwischen Kopf und Bauch und Wohnung und Isar kommen mir seltsame Gefühle beziehungsweise Scharen von Kindern und
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