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Bad Hair Days - das Leben ist keine Dauerwelle

Bad Hair Days - das Leben ist keine Dauerwelle

Titel: Bad Hair Days - das Leben ist keine Dauerwelle
Autoren: Ravensburger
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Hände zitterten jetzt nicht mehr, so wie vorher, als ich zur Tür hereingekommen war. Es war mir sofort aufgefallen, weil meine auch zitterten. Dabei wirkte er eigentlich ganz ruhig – bot uns Tee und Kekse an, sagte uns, dass wir ihn Abe nennen sollten, zeigte uns seinen Labradorwelpen Daisy, aber als er seine Teetasse in die Hände nahm, zitterten sie so sehr, dass er die Tasse abstellen musste.
    »Ich bin ein bisschen nervös«, murmelte er.
    Was du nicht sagst, dachte ich.
    »Dann lasst uns was machen«, schlug Mum vor, als wir unseren Tee getrunken hatten. »Wir sind ja alle ziemlich nervös – dürfen wir vielleicht Ihren Garten anschauen, Abe?«
    Mum wirkte ungewohnt gelassen. Wie Queen Serenity höchstpersönlich. In Anbetracht der Tatsache, dass das hier auch für sie ein großer Moment war, hielt sie sich erstaunlich gut. Keine Spur von Hysterie.
    Der Garten war ein guter Vorschlag. Abe sah draußen viel glücklicher aus und war auf einmal ganz natürlich. Er zeigte uns seine Pflanzen und Obstbäume und den Gartenteich. Dann führte er uns durch ein baufälliges kleines Tor auf ein ummauertes Feld. Der Boden war mit weißen Blüten bedeckt, so weit das Auge reichte.
    »Herbstzeitlose«, sagte er, »und Bärenklau.«
    Ich schaute zu Mum hinüber. Ich glaube nicht, dass ich meine Mum jemals in einem Garten gesehen habe. Sie wirkte verloren darin, als wüsste sie nicht, was sie tun sollte. Aber wir mussten den Garten ja nur bewundern – er sah aus, als hätte es frisch draufgeschneit, und wir standen knietief in dem weißen Blütenmeer.
    »Das ist schön, Abe«, sagte Mum, »Sie können stolz darauf sein.«
    »Danke«, sagte Abe. »Freut mich, dass es Ihnen gefällt. Wie ist es denn, wo du wohnst, Sadie?«
    »Nicht wie hier«, sagte ich, weil es das genaue Gegenteil war. »Erstens leben wir in einer Mietwohnung und wir sind auch keine Outdoor-Typen. Stimmt doch, Mum?«
    Mum sah nachdenklich aus – oder auch nicht. Ich konnte ihren Gesichtsausdruck nicht interpretieren.
    »Sie wissen aber schon, dass das alles Sadies Idee war?«, sagte sie plötzlich zu Abe. »Sie hat Sie ganz allein gefunden.«
    Abe nickte.
    »Sie ist ganz schön ausgefuchst, unsere Tochter.«
    Es war ein komisches Gefühl, als Mum diese Worte sagte: »unsere Tochter«. Es raubte mir den Atem und ich wurde rot. Abe nicht.
    »Ja, das stimmt«, sagte er zu Mum, und dann zu mir gewandt: »Ausgefuchst ist gar kein Ausdruck. Und was du getan hast, dazu braucht es eine Menge Mut. Ich bin beeindruckt.«
    Ich schaute Abraham Smith und meine Mum an, und ich wusste, woher ich meinen Mut hatte. Ganze Wagenladungen davon mussten sie gehabt haben, sonst gäbe es mich jetzt nicht.
    »Und du bist bestimmt auch sehr intelligent«, sagte Abe lächelnd. »Was machst du denn so? Ich meine, was sind deine Hobbys oder Interessen?«
    Meistens ist es nur Small Talk, wenn Erwachsene einem solche Fragen stellen. Aber bei Abe hatte ich den Eindruck, dass er es wirklich wissen wollte.
    »Haare hauptsächlich«, sagte ich, »und Styling.«
    »Super.«
    »Ich meine, ich will nicht einfach nur Haare schneiden – ich will später einen eigenen Salon haben und richtig originelle Frisuren und Styles machen. Und ich will mit interessanten Kunden arbeiten und meinen Salon von einem kultigen Innenarchitekten gestalten lassen, mit tollen Stühlen und Designer-Wasserhähnen an den Waschbecken, und die Friseurinnen in meinem Laden wären gleichzeitig auch Haarmodels, und unsere Spezialität wären Kurzhaarfrisuren für Frauen.«
    Dann erklärte ich ihm meine Theorie über Frauen mit kurzem Haar. Ich glaube, es interessiert ihn ehrlich. Abes Freundin Sarah war inzwischen auch zu uns in den Garten gekommen und fasste sich instinktiv an ihren Pferdeschwanz. Vielleicht hatte sie Angst, dass ich gleich mit der Schere anrücken würde. Was kein Fehler gewesen wäre, denn sie hätte gut einen geometrischen Bob tragen können. Irgendwann würde ich ihr das vorschlagen.
    »Wow«, sagte Sarah, »das klingt ja alles sehr durchdacht, Sadie!«
    »Du scheinst dir alles genau überlegt zu haben«, fügte Abe hinzu.
    »Das tut Sadie immer«, sagte Mum, was ausnahmsweise nicht sarkastisch gemeint war. Diesmal konnte ich ihren Gesichtsausdruck mühelos einordnen: Mum sah stolz aus.
    »Du hast Glück«, sagte Abe zu mir. »Ich bin schon siebenunddreißig Jahre alt und habe immer noch keinen Plan.«
    In meinem Kopf war er jetzt endgültig Abe. Ich dachte nicht mehr als »Spender« oder
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