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Bad Hair Days - das Leben ist keine Dauerwelle

Bad Hair Days - das Leben ist keine Dauerwelle

Titel: Bad Hair Days - das Leben ist keine Dauerwelle
Autoren: Ravensburger
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gerechnet. Echt nicht.
    »Von wem ist die?«, fragte Billy und spähte mir über die Schulter. Instinktiv zog ich die Karte weg und versteckte sie auf meinem Schoß. Die durfte niemand sehen. Mein Gesicht brannte. Nie und nimmer hätte ich eine Karte von Dad erwartet.
    Weil mein Dad gar nicht existierte.
    Mein »Dad« war doch bloß eine Samenspende, die Mum vor sechzehn Jahren auf einer Website ausgewählt hatte.

»Also von wem ist die Karte?«, fragte Tante Lilah.
    Mein Mund stand immer noch offen. Ich blieb stumm, sprachlos. Schtum. Ich fasste mit der Hand an den Mund, als müsste ich mir die Worte buchstäblich herausreißen.
    »Ich …«, stotterte ich.
    »Was hat sie gesagt?«, bellte Großtante Rita.
    »Das ist von …«, fing ich wieder an.
    Und in diesem Moment, als alle mich schweigend anstarrten, war mir klar, dass ich ihnen nicht erzählen würde, von wem die Karte kam. Schließlich war sie von meinem Dad, den keiner in der Familie kannte, den sie nie gesehen hatten, von dem sie nichts wussten, über den sie sich nie eine Meinung bilden konnten – und das sollte vorerst so bleiben. Ich versuchte also, die Karte wieder in den Umschlag zu stecken, ohne dass jemand etwas merkte.
    »Was hat sie gesagt? Von wem ist es denn jetzt?«, beharrte Großtante Rita.
    »Von wem ist die Karte, Schätzchen?«, fragte Mum.
    Ich setzte ein gleichgültiges Gesicht auf (oder versuchte es zumindest) und verdeckte die beschriebene Seite der Karte, aber das machte alle nur noch neugieriger.
    »Was soll denn die Geheimniskrämerei?«, empörte sich Tante Lilah. »Von wem ist die Karte, Sadie?«
    Verdammt, warum mussten sie so hartnäckig sein? Aber ich würde es ihnen trotzdem nicht verraten, so viel stand fest. Ich zerbrach mir den Kopf, was ich sagen sollte. Einen Namen. Irgendeinen. Alles, außer »Dad«.
    »Da… Gad«, sagte Billy und schaute mich an. Ich nickte zustimmend.
    Er hatte die Karte gesehen, ganz klar. Zum Glück kann Billy schneller denken als ich.
    »Sie ist von Gad«, wiederholte er. »Das ist ein Freund von Tony. Wir kennen ihn vom Park Festival, da hat er für die Band vorgespielt.«
    Wow. Billy ist ein Schatz – der schlauste Cousin der Welt.
    »Nett von ihm, dass er daran gedacht hat«, sagte Onkel Zé und runzelte die Stirn. Gad ist schließlich ein Junge, wenn auch ein fiktiver, und Billys Freund Tony ist auch ein Junge – und was für einer.
    »Gad? Was für ein Gad?«, donnerte Großtante Rita, die nicht nur schielt, sondern auch schon ein bisschen schwerhörig ist. Kein Wunder, in ihrem Alter. »Ist das etwa dein Freund?«
    »Nein, nein, das ist nicht mein Freund«, brachte ich mühsam hervor. »Ich … ich hab keinen Freund.«
    Dann riss ich die nächste Karte auf, damit ich etwas zu tun hatte, während ich versuchte, mich wieder in den Griff zu bekommen. Sobald gerade niemand herschaute, faltete ich Dads Karte zusammen und steckte sie hinten in meine Hosentasche.
    Mein Herz hämmerte wild: Das war doch nicht möglich! Eine Karte von meinem Dad, der für mich, seit ich denken kann, immer nur ein Reagenzglas voll Sperma war. Das klingt jetzt vielleicht abartig, aber für mich ist es ganz normal. Ich finde es okay, dass ich auf diese Weise das Licht der Welt erblickt habe. Natürlich gibt es Momente in meinem Leben, da würde ich auch gern sagen können, dass meine Mum und mein Dad sich im Restaurant kennengelernt haben – so wie Tante Lilah und Onkel Zé –, oder dass sie schon in der Schule nebeneinandergesessen haben, wie Tonys Eltern. Aber mein Leben hat nicht mit einem romantischen Date begonnen – mit Mondschein und Sternenlicht und allem Drum und Dran –, und auch nicht auf dem Rücksitz eines Ford Mondeo, wie das meiner exbesten Freundin Shonna. Nein, es fing mit Mum und Tante Lilah und dem Internet an. Und ehrlich gesagt, weiß ich nicht, was schlimmer ist. Die Vorstellung, dass deine eigenen Eltern »es machen« (würg) oder dass deine Mum im Internet surft?
    Oder nein, halt, ich weiß es. Ich weiß, womit ich besser leben kann.
    Aber wie konnte mir dann sechzehn Jahre später eine Karte ins Haus flattern, die mit »Dad« unterschrieben war? Hatte er mich irgendwie aufgespürt? Nein, unmöglich. Er wusste doch gar nicht, dass es mich gab.
    Meine Welt war mit einem Schlag auf den Kopf gestellt worden und das Einzige, woran ich mich festhalten konnte, war der Stapel Glückwunschkarten vor mir.
    Ich nahm die erstbeste in die Hand. Sie war von Großtante Rita, wie ich erkannte,
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