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Bad Dad

Bad Dad

Titel: Bad Dad
Autoren: Thomas Pramendorfer
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sich im Gitterbett breit gemacht und es zur Sonnenbank umfunktioniert. Ich könnte mich aufregen und den Fusselroller holen, stattdessen schiesse ich noch ein Foto von den Stubentigern. Schlechtes Gewissen plagt mich, die beiden Fellfrösche kriegen nicht viel Aufmerksamkeit seit der Neue eingezogen ist.

7. TAG: LOOK, DADDY'S ON TV!

    Heute Abend ist Papi mit dem LoveTalk Team im Fernsehen und klein Davey darf zugucken. Zuerst aber ab zum Kinderarzt. Ich bin schlecht drauf, der Gedanke, mich um 20.15 Uhr vor 500.000 Zusehern live zum Affen zu machen, ist alles andere als beruhigend. Das Maxi Cosi kugelt mir am Weg zum Auto die Hüfte aus, die unausgeschlafene Frau quasselt unablässig von Formularen für die Kinderbeihilfe. Dann verhängt sich auch noch der blöde Sicherheitsgurt am Kindersitzchen. Ich flippe aus, werde am ganzen Körper grün und reisse ihn mit den Worten "Hulk smash!" aus der Verankerung. Zusammengerollt werfe ich dem Baby den Gurt in den Schoss und sage dem Kleinen, dass er sich stattdessen gut festhalten soll. - Das ist natürlich alles gelogen. Spiegelt aber meinen Gemütszustand wider.  

    Beim Kinderarzt - es ist unser erster Termin - diktiert meine bessere Hälfte geduldig Davids Daten an die Sprechstundenhilfe. Das unablässige Geplärr der Jungpatienten punktiert mein Trommelfell. Hunderte Kinder auf Plastiktraktoren stauen sich im Foyer. Südost-Tangente für Anfänger. Hinter mir, durch eine grosse Glasfront abgetrennt, ein Kinder-Terrarium für ansteckende Sprösslinge. Der Raum erinnert mich an die grauenhafte Raucherkabine am Flughafen Wien-Schwechat. Zwei angekaute Holzstühle und ein dreckiges "Mon Chichi" versüssen die Wartezeit für einen einsamen, blassen Vater mit einer noch blasseren und vermutlich hoch-ansteckenden Tochter. "Gut so", denke ich mir, "die beiden haben nichts unter uns gesunden Menschen verloren" und trage meinen schlafenden Sohn in den zweiten Raum. An der Durchgangstür heissen uns singende Maulwürfe und ein schwuler Regenbogen willkommen. Spielzeug stapelt sich meterhoch in bunten Kisten, am Flachbildschirm läuft ein süsser Ferkelfilm. Damit meine ich tatsächlich kleine Schweinchen, denn die Praxis ist seriös. 
    Der Hüft-Ultraschall erfolgt gleich nach dem Abwiegen und ist laut Arzt unauffällig. Ich verkneife mir eine witzige Bemerkung, dass der Junge aber doch erhebliche Schwierigkeiten beim Gehen hätte und stopfe ihn stattdessen geistesabwesend zurück in seinen Frottee-Body.

    500.000 Leute und das noch live. Du heilige Scheisse.

    Als wir rausgehen, fängt auch noch unserer an zu heulen. Ich werfe das Maxi Cosi samt Kind in den Kofferraum und ab nach Hause. Ok, auch das war gelogen. Niemand wirft Baby in den Kofferraum (um mal kurz Dirty Dancing zu zitieren). Das Kind wurde fachgerecht verzurrt und abtransportiert. 

    Sechs Stunden später. Wir sitzen zu dritt im Bus auf dem Weg zum ORF. Andrea, Daniel und ich, völlig aufgebrezelt sowohl nervlich als auch kleidungstechnisch. Ich trage seit 20 Jahren wieder mal ein Sakko. Dani   - wie gewohnt in Anzug und Krawatte - sieht aus, als wäre er gerade durch die Leinwand aus einer John Grisham Verfilmung gestiegen, adrett mit nobler Blässe im Gesicht. Neben uns die kreidebleiche Andi. Ich selber glänze nur (dafür buchstäblich) durch die Abwesenheit von Kopfbehaarung. Die beiden sehen kameratauglich aus, denke ich mir im Stillen und hoffe, dass die angekündigte Schminktante vor der Sendung noch ein kleines Wunder an mir vollbringt. 
    Tatsächlich werde ich dann auch ordentlich durchgepudert. Oder heisst das bepudert?
    Nach der Maske führt mich ein ORF Handlanger ab; durch endlose labyrinthische Gänge, zurück in den Green Room, der eigentlich orange ist. Ich bedeute dem jungen Mann, dass ich aufs Klo müsse, das vierte Mal in einer Stunde. Heimlich fotografiere ich mich im Toilettenspiegel. Vom Schlüsselbein aufwärts - der Hals, die Ohren und mein ganzer Kopf - bin ich mit einer drei Millimeter dicken Schickt Spachtelmasse vollgekleistert. Ein abartiges Beige, nicht unähnlich dem Teint einer Spielzeug Action-Figur. Auf meiner Nase schuppt sich ausgetrocknetes Make-up. Ich spiele mit dem Gedanken abzuhauen, gehe dann aber doch zurück zu unserem Tisch, wo die anderen beiden, mit ebenso beigen Gesichtern, auf mich warten. Es wird entschieden, Wein zu trinken. Ich bin schwer versucht, traue mich dann aber doch nicht. Klaren Kopf behalten, lautet die Devise. Andis Schweigen beunruhigt mich ein
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