Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bad Dad

Bad Dad

Titel: Bad Dad
Autoren: Thomas Pramendorfer
Vom Netzwerk:
(jedenfalls nicht Gummi) Statue von Jesus auflauerte. Ganz ähnlich wie bei H&M, wo mir schon so manches Schaufensterpüppchen einen ordentlichen Schrecken eingejagt hat. Aber ich schweife ab. Gestern also um etwa 21 Uhr wurden Mutter und Sohn aus dem Kreißsaal in das Zimmer 401 (die Nummer ist frei erfunden) überstellt und untergebracht. Justament jenes Zimmer, vor dem Gummi-Jesus sich verschanzt hatte. Der Name Gummi-Jesus schoss mir ganz spontan beim ersten Stuhlgang Schreckerlebnis ein, vermutlich weil die Statue etwas disneyesk Unwirkliches an sich hatte und sofort auch Assoziationen zum Thriller-Video aus dem Jahre 1983 in mir erweckte. Gottlosigkeit alleine, dürfte hier wohl nicht als Erklärung ausreichen. Neun Stunden dabei zuzusehen, wie ein Lebewesen sich den Weg aus einem anderen bahnt, allerdings schon. Die Müdigkeit spielte mir und meinem Sehzentrum zweifellos Streiche.  
    Wie ich eben von meiner Lebensgefährtin erfahre, sogar in ungeahntem Ausmasse, da es sich bei dem Bildnis tatsächlich und nachweislich um die Mutter Gottes handelt. Aber egal. In meinem Kopf ist es der Gummi-Jesus und damit basta. 

    Zahlen merken ist nicht mein Job. Dafür habe ich ja meine Frau. Die erinnert sich an Zahlen und PIN Codes und sogar Namen. Normalerweise ist das ja auch kein Riesenproblem für mich, heute morgen allerdings - frisch ausgeschlafen im Krankenhaus St. Josef eingetrudelt - stand ich plötzlich ahnungslos in einem meilenlangen Korridor auf der Geburtshilfe, links und rechts nichts als Türen. Wo ist mein frisch geschlüpfter Sohn? Wo die Frau? Fragen, auf die es keine Antwort zu geben schien. Panik machte sich in meinem Magen breit, ich bog um eine Ecke und zuckte zusammen, als ich das erzürnte Antlitz des liebenden Herrn Gummi-Jesus erblickte. Adrenalin schoss mir aus der Stirn und in die Gedächtniswindungen meines Hirns. Ich erkannte die Tür von gestern wieder: Nummer 401. Dort drinnen sollte ich meine Familie finden. Gesenkten Hauptes betrat ich den Raum und erschrak erneut, weil das erste - gestern noch leere Bett - plötzlich mit einer neuen Mutter bestückt war. Schnell erlangte ich jedoch die Fassung wieder und fand meine zwei Lieben gemütlich in mehrere hundert Kuscheldecken gefaltet. Was danach passierte, ist kaum der Rede wert. Es gab ein Mittagessen für die Mütter, das ich prompt verzehrte, während sich meine Frau umzog. Danach ging es mit zwei tonnenschweren Taschen ("Ich packe ja eh nur das Notwendigste, Schatzi"), dem standard Baby Rucksack von der Stadt Wien und einem sogenannten "Maxi Cosi" (das ist ein miniaturisierter Rennschalensitz mit Henkel) zur Abmeldung und weiter dann zur Tiefgarage. Die Kofferraumtür so leise wie möglich zugedonnert und vorsichtig angestartet (was übrigens nicht wirklich geht), machten wir uns zu dritt auf den Weg nach Hause. Das Kind schlief, staunte und schlief dann wieder ein. Top-seriös der junge Kerl. 
    Zuhause angekeucht fiel mir sofort auf, dass das Katzenfutter seit gestern unberührt blieb und eines der beiden Viecher bereits total verstört das Weite gesucht hatte. Die dickere von den beiden machte sich zuerst über das wehrlose Kind im Schalensitz her und verschwand dann wieder, um die Glückwunschblumen zu verspeisen. Eine Knoblauchpizza später fand ich die Mutter, eine Brust feilbietend, im ehelichen Bett mitsamt dem Jungen, der diese nur gelangweilt und mit glasigem Blick betrachtete. - Unerklärlich. Vielleicht gerät er doch nicht ganz nach dem Vater?

3. TAG: HI, MY NAME IS...

    Immer noch habe ich es nicht ganz verdaut, dass vorgestern im Kreißsaal meinem ausdrücklichen Wunsch, die Nabelschnur zu durchschiessen, nicht entsprochen wurde und ich stattdessen, gänzlich unspektakulär, die besagte "Schnur" (die eigentlich mehr wie ein Retro-Spirali-Telefonkabel aus den 80ern aussieht), mit einer Schere zu durchtrennen hatte. Aber wenn schon unter Vorwand fadenscheiniger Ausreden der Schusswaffengebrauch im Entbindungs-Zimmer untersagt wird, warum kann man dann nicht zumindest bei einem eleganten Säbel ein Auge zudrücken? Auch dieser Vorschlag stiess nur auf verständnislose Ablehnung. Folglich blieb mein Fechtinstrument - wie auch der Sohnemann in den Stunden zuvor - in der Scheide stecken.

    Drei Tage alt und das Kind spricht nach wie vor kein Wort. Man sagt mir, das sei kein Grund zur Beunruhigung. Ich bleibe jedoch skeptisch. Wenigstens schläft der Kleine wie ein Rentner an der Supermarktkassa. Auch wir, das heisst, vor
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher