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Bad Dad

Bad Dad

Titel: Bad Dad
Autoren: Thomas Pramendorfer
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Nummer "9". Kein echtes Fussballtrikot, aber das steht halt zufällig auf meinem T-Shirt gedruckt. Um meinen Gegner einzuschüchtern, sage ich im Vorbeigehen: "Spielen wir mit dem Ball oder mit einem von euren Kleinen?"  
    Anpfiff. Es gibt nur eine Möglichkeit: Sieg, Unentschieden oder Niederlage. 
    Oder, um Fussball Legende Hans Krankl zu zitieren: "Wir müssen gewinnen, alles andere ist primär."
    Spielleiter: "Gespielt wird bis fünf!"
Ich: "Im ernst?", frage ich und sehe auf die Uhr, "Drei Stunden?"
Spielleiter: "Wer als erster fünf Tore hat..."
Ich: "Achso."

    Mir wird von einem Dreikäsehoch, dessen Namen ich mir wieder nicht gemerkt habe, die Position des rechts-links-aussen Defensivstürmers zugeteilt. Ich würdige den Kommentar des besserwisserischen Teamkollegen mit einem Bodycheck und kralle mir die Wuchtel mit meinen Zehenspitzen. Wir spielen ohne Schuhe. Der Gegner stellt die Räume zu, aber ich umspiele das erste kleine Mädchen, auf meinem Weg zum Tor, mit einer falsch angedeuteten Blutgrätsche.  
    Watch and learn, Motherfucker. 
    Ein Erwachsener baut sich vor mir auf aber ich benutze gekonnt einen meiner kleinwüchsigen Teamkollegen als Bande und spiele mir selbst wieder den Ball zu. Eins zu Null.  
    Anstoss.  
    Der Gegner verliert den Ball und ich verwerte eine passable Bananenflanke aus unserem Strafraum zum verdienten 2:0.  
    "Das sind Gefühle wo man schwer beschreiben kann."
    Das grössere Mädchen der gegnerischen Mannschaft stolpert beim Dribbling über eine Bodenwelle und ich reklamiere zornentbrannt sofort die Schwalbe. Das war ein klar vorgetäuschtes Foul! Man teilt mir mit, dass es keinen Schiedsrichter gäbe.  
    Ich angle mir geschickt das Schweinslederne und erziele mit einer gewaltigen Bombe das 3:0. Verletzungsbedingt scheidet der Torwart der anderen aus. Ich ernte schiefe Blicke. Die sind ja nur sauer weil sie verlieren. Weiter geht's.  
    Die Sonne brennt auf mich herunter wie sau. Ich lasse mich zur Abkühlung von Kleinkindern an der Out-Linie mit Wasserpistolen bespritzen. Das Gegrillte von zuvor bahnt sich seinen Weg hoch, wieder zurück in meine Speiseröhre. Vor den Hosenscheissern hier will ich mir keine Blösse geben, zurück auf den Rasen.  
    Ich lasse mal kurz die anderen machen, mir ist etwas schwindlig. Dann habe ich wieder den Ball und versuche mich an einem Gurkerl zwischen den Beinen eines kleinen Jungen, der, wie sich herausstellte, unser Stürmer war. Die Kugel geht mir etwas zu hoch, der Bub landet im Tor. 4:0. Die anderen Väter machen beschwichtigende Gesten in meine Richtung, ich nehme das als Zeichen, dass ihnen die Luft ausgeht. Weicheier!  
    Ich hocke mich kurz in den Schatten der Kinderrutsche und überlege ernsthaft, ob ich mich in den Sandkasten übergeben soll. Das Spiel geht weiter. Wir kassieren ein Tor. Ich taumle zur Mittellinie. Man spielt mir den Ball zu und ich lasse ihn lethargisch von meinem Schienbein abprallen. Mein Körper schreit nach Wasser, ich glaube ich habe mir links das Sprunggelenk verrissen. Da drüben ist der Gartenschlauch. Jemand schreit 4:3!  
    Wie bitte? Wie ist das denn passiert? 
    Eine schweissnasse Pranke landet auf meiner Schulter, jemand flüstert mir ins Ohr: "Gehst du bitte kurz ins Tor?" Ok. Aber zuerst zum Gartenschlauch. Pritschelnass torkle ich, mit einer Hand am Gartenzaun, zum Tor und stelle mich breitbeinig in Position. Links neben mir rollt der Ball an mir vorbei, 4:4. - Ach, Kacke.

    Ich erwache in einem Kühlen Raum, wo man mich mit Illustrierten befächert. Man gibt mir Wasser zu trinken. Ich frage wie die Partie ausgegangen ist. 4:5, für die anderen. Ich hätte mich aber, für jemanden der seit 20 Jahren nicht mehr gekickt hat, gut geschlagen. 

    Einen Kaffee und mehrere Zigaretten später geht es mir wieder blendend. Nur unser Sohnemann hört in dem familiären Gewimmel nicht mehr zu schreien auf. Gut gemeinte Stillversuche schlagen wiederholt fehl. Meine Frau meint, dass es Zeit wäre zu fahren. Die anderen brechen mit uns auf. Bussi, Bussi für die Damen, Handschläge, bitsch, batsch, unter den Herren. Im Auto hat es gefühlte 39.000 Grad Celsius. Mein Arsch brutzelt hörbar am Sitz, die Hände zischen bei der Berührung mit dem Lenkrad. Das Schreckerlebnis auf der Autobahn für heute haben wir ja schon hinter uns, das wird eine ruhige Heimfahrt. So denkt man sich zumindest.

    Tatsächlich kommt es anders. Wir rasen nämlich nichts ahnend in einen noch ungesicherten Unfall auf der A1.
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