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Backup - Roman

Backup - Roman

Titel: Backup - Roman
Autoren: Heyne
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kurz nachdem eine Soft-Variante des Zeugs den Markt überschwemmt hatte, und kam mir immer uralt vor, wenn ich Lil oder ihre Freunde mit einem Pfeifchen sah. Dan überraschte mich, indem er eine Hand ausstreckte und die Pfeife entgegennahm. Er tat einen kräftigen Zug, dann gab er sie zurück.
    Danach schloss er wieder die Augen, grub sich die Fäuste in die Augenhöhlen, nippte an seinem Kaffee. Offensichtlich überlegte er, wo er anfangen sollte.
    »Um es zusammenzufassen: Ich hab mich für mutiger gehalten, als ich wirklich bin«, begann er.
    »Das geht doch jedem so«, erwiderte ich.
    »Ich hab wirklich gedacht, ich könnte es schaffen. Ich wusste, dass mir eines Tages die Herausforderungen ausgehen würden, dass mich nichts mehr interessieren würde. Ich wusste, dass ich eines Tages am Ende sein würde. Du erinnerst dich sicher, wir haben immer darüber gestritten. Ich war mir sicher, dass ich irgendwann am Ende sein und mir dann nichts mehr übrig bleiben würde als abzutreten. Und an diesem Punkt bin ich jetzt angekommen. Auf der Erde gibt’s keinen einzigen Ort mehr, der nicht unter dem Einfluss der Bitchun Society steht. Es ist nichts mehr übrig, woran ich mitwirken will.«
    »Dann leg dich einfach für ein paar Jahrhunderte
auf Eis«, sagte ich. »Schieb die Entscheidung auf.«
    »Nein!«, rief er so laut, dass wir beide zusammenzuckten. »Ich bin erledigt . Es ist vorbei!«
    »Dann mach’s doch«, sagte Lil.
    »Ich kann’s nicht«, schluchzte er und vergrub das Gesicht in den Händen. Er weinte wie ein Baby; die rauen, lauten Schluchzer erschütterten den ganzen Körper. Lil verzog sich in die Küche, holte ein Papiertuch und drückte es mir in die Hand. Ich setzte mich neben ihn und tätschelte ihm unbeholfen den Rücken.
    »Mein Gott«, murmelte er in seine Hände hinein. »Mein Gott.«
    »Dan?«, fragte ich leise.
    Er richtete sich auf, nahm das Tuch und wischte sich Gesicht und Hände ab. »Danke. – Ich hab ja versucht, was draus zu machen, wirklich. Hab die letzten acht Jahre in Istanbul verbracht und Artikel über meine Missionen und die Gemeinschaften geschrieben, die ich kennengelernt hatte. Hab auch Folgestudien angestellt, Interviews durchgeführt. Niemand war daran interessiert, nicht einmal ich selbst. Hab eine Menge Hasch geraucht, aber es hat nicht geholfen. Und so bin ich eines Morgens aufgewacht, zum Basar gegangen und hab mich von den Leuten verabschiedet, mit denen ich mich dort angefreundet hatte. Dann bin ich zur Apotheke gegangen und
hab mir eine tödliche Injektion vorbereiten lassen. Der Apotheker hat mir noch viel Glück gewünscht. Danach bin ich in mein Zimmer zurückgekehrt, hab den ganzen Nachmittag mit der Injektionspistole dagesessen und irgendwann beschlossen, eine Nacht darüber zu schlafen. Als ich am nächsten Morgen aufstand, ging alles wieder von vorn los. Nach eingehender Prüfung meines Innenlebens musste ich mir eingestehen, dass mir schlicht der Mumm dazu fehlt. Ich hatte einfach nicht den Mumm. Ich hab schon hundert Knarren in die Mündung gestarrt, tausend Messer an der Kehle gespürt, aber einfach nicht den Mumm, diesen Schritt zu tun.«
    »Du warst einfach zu spät dran«, warf Lil ein.
    Wir drehten uns beide zu ihr um.
    »Du kommst ein Jahrzehnt zu spät. Schau dich doch an. Du bist ein Jammerlappen. Wenn du dich jetzt umbringen würdest, wärst du nur ein abgewrackter Verlierer, der nichts auf die Reihe bringt. Wenn du’s vor zehn Jahren getan hättest, wärst du ein Held gewesen – ein Champion, der auf Dauer abtritt.« Sie stellte ihren Becher unnötig heftig ab.
    Manchmal sind Lil und ich haargenau auf derselben Wellenlänge. Doch zuweilen kommt sie mir so vor, als lebte sie auf einem anderen Stern. Ich konnte nur schockiert dasitzen und mir anhören, wie sie fröhlich über den besten Zeitpunkt
für den Selbstmord meines alten Freundes debattierte.
    » A day late and a dollar short« , seufzte er.
    »Dann sitz hier nicht einfach rum«, sagte sie. »Du weißt, was du zu tun hast.«
    »Was denn?«, fragte ich, unwillkürlich verärgert über ihren Ton.
    Sie sah mich so an, als ob ich mich absichtlich dumm stellte. »Er muss wieder nach oben kommen. Er muss sich zusammenreißen, auf Vordermann bringen, produktive Arbeit leisten. Sein Woppel wieder hochbringen. Dann kann er sich mit Würde von der Welt verabschieden.«
    Ich hatte noch nie etwas derart Idiotisches gehört. Dan allerdings hob eine Augenbraue und sah sie nachdenklich an. »Wie alt bist du
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