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Backup - Roman

Backup - Roman

Titel: Backup - Roman
Autoren: Heyne
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Immer-auf-Achse-Dan, den legendären Missionar, der die einzigen Orte besucht hatte, auf die die Bitchun Society noch keinen Einfluss ausübte. Ich weiß nicht genau, warum er sich mit mir abgab. Er erwähnte ein paar Mal, dass ihm meine Symphonien gefallen hätten. Außerdem hatte er meine Dissertation in Ergonomie gelesen – darin hatte ich mich darüber ausgelassen, wie man Techniken zur Publikumslenkung und -überwachung in Themenparks auf städtische Umgebungen übertragen kann – und mochte meine Ausführungen. Aber ich glaube, letztlich lief es darauf hinaus, dass wir einfach Spaß daran hatten, uns aneinander zu reiben.
    Gelegentlich unterhielt ich mich mit ihm über den gewaltigen Teppich der Zukunft, der sich gegenwärtig vor uns ausrollte, über die Gewissheit, dass wir früher oder später auf fremde Intelligenzen stoßen würden, über die unvorstellbaren Möglichkeiten, die sich vor jedem von uns auftaten. Er behauptete oft, eine Person, die sich in Kälteschlaf begebe, lasse damit klar erkennen, dass sich ihr Reservoir an Introspektion und Kreativität erschöpft habe; ohne inneren Kampf könne es keinen echten Sieg geben.
    Wir führten anregende Wortgefechte und hätten sie bis in alle Ewigkeit fortsetzen können, ohne dass einer von uns als Sieger daraus hervorgegangen
wäre. Ich konnte ihm das Zugeständnis abringen, dass das Woppel-System, die Anhäufung von virtuellem Kapital, das allein auf Reputation beruht, den eigentlichen Sinn des Geldes verwirklicht hatte. In früheren Zeiten hatte man, selbst wenn man pleite war, nicht verhungern müssen, falls man bei seinen Mitmenschen Ansehen genoss; war man dagegen reich, aber verhasst, konnte man sich mit keinem Geld der Welt Sicherheit und Frieden erkaufen. Indem das beziffert wurde, wofür Geld eigentlich stand – nämlich das persönliche Ansehen, das man bei Freunden und Nachbarn genoss –, konnte man seinen Erfolg viel genauer einschätzen.
    Und dann führte er mich auf einen raffinierten, sorgfältig mit Ködern ausgelegten Abweg, der mir das Eingeständnis entlockte, dass wir zwar irgendwann auf fremde Intelligenzen mit ganz ungewöhnlichen, fantastischen Eigenschaften stoßen könnten, die Welt gegenwärtig jedoch unter einer etwas deprimierenden Gleichförmigkeit litt.
    An einem schönen Frühlingstag präsentierte ich meine Abschlussarbeit zwei organischen Menschen und einem Professor, dessen Körper gerade einer Generalüberholung unterzogen wurde und dessen Bewusstsein über eine Freisprech-Verbindung mit dem Computer teilnahm, auf dem er derzeit gespeichert war. Alle drei mochten
meine Arbeit. Anschließend zog ich meine Lammfelljacke über und suchte auf den süßlich nach Blumen stinkenden Straßen nach Dan.
    Er war nicht aufzutreiben. Der Anthropologie-Student, den er mit seinen Kriegsgeschichten malträtiert hatte, sagte, Dan habe am Morgen seine Sachen gepackt und sei in die ummauerte Stadt Tijuana abgereist. Offenbar wolle er sich mit den dort ansässigen Nachkommen eines Zugs von US-Marines beschäftigen, die mit der Bitchun Society nichts zu tun haben wollten.
    Und deshalb ging ich nach Disney World.
    Als Hommage an Dan absolvierte ich den Flug in Echtzeit, in einer der winzigen Kabinen, die für jene von uns reserviert sind, die sich für einen zweistündigen Flug auf keinen Fall einfrieren und wie Holzbalken aufeinanderstapeln lassen wollen. Ich flog als Einziger in Echtzeit, aber eine Flugbegleiterin servierte mir pflichtschuldig ein Glas Orangensaft mit dem Volumen einer Urinprobe und ein gummiartiges, übel riechendes Käseomelett. Während der Autopilot eine Turbulenz umflog, starrte ich aus dem Fenster auf die schier unendliche Wolkendecke und fragte mich, wann ich Dan wiedersehen würde.

Eins
    Meine Freundin hatte gerade fünfzehn Prozent meines Alters erreicht, und ich war altmodisch genug, dass es an mir nagte. Sie hieß Lil und lebte in zweiter Generation in Disney World. Ihre Eltern hatten der ursprünglichen Ad-hoc-kratie angehört, die die Verwaltung von Liberty Square, dem historischen Viertel, und Tom Sawyers Insel übernommen hatte. Lil war im wahrsten Sinne des Wortes in Walt Disney World aufgewachsen, und das merkte man.
    Man merkte es wirklich. Sie war peinlich sauber und ordentlich, von ihrem glänzend roten Haar bis zu ihrer sorgfältigen Buchführung über jedes Getriebe und jedes Zahnrad in der Animatronik, für die sie verantwortlich zeichnete. Ihre Angehörigen hatten sich für ein paar
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