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Backup - Roman

Backup - Roman

Titel: Backup - Roman
Autoren: Heyne
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Minuten da.«
    »Gut«, sagte er. »Entschuldige.« Er hatte seine Stimme wieder unter Kontrolle. Ich schaltete aus.
    »Was ist los?«, fragte Lil.
    »Ich weiß nicht genau. Ein alter Freund ist in der Stadt. Hört sich an, als hätte er Probleme.«
    Lil deutete mit dem Zeigefinger auf mich und tat so, als drückte sie auf einen Abzug. »Hier«, sagte sie. »Ich hab gerade die günstigste Route zur Insel der Freuden in dein öffentliches Verzeichnis kopiert. Halt mich auf dem Laufenden, ja?«
    Ich begab mich zum Tunneleingang unweit der Halle der Präsidenten. Während ich die Treppe hinunterstapfte, wurde das Summen aus dem
unterirdischen Tunnelsystem immer lauter. Ich nahm das Laufband zum Personalparkplatz und schwirrte in meinem kleinen Wagen ab, auf die Insel der Freuden.
     
    Als ich Dan entdeckte, saß er auf einem L-förmigen Sofa unter einer Reihe getürkter Fotos von Jagdausflügen mit humorigen Bildunterschriften. Am Fuß der Treppe bedienten die Ensemblemitglieder die Animatronik-Masken und -Figuren und plauderten mit den Gästen.
    Dan, der apathisch und in sich zusammengesunken dahockte, sah knapp über fünfzig aus und wirkte leicht untersetzt. Sein Gesicht war von Bartstoppeln überzogen und die Tränensäcke ähnelten den Augenringen eines Waschbären. Während ich auf ihn zuging, pingte ich sein Woppel an und musste zu meiner Bestürzung feststellen, dass sein Ansehen nahezu auf null gesunken war.
    »Meine Güte«, sagte ich, als ich mich neben ihm niederließ. »Siehst du scheiße aus, Dan.«
    Er nickte. »Die äußere Erscheinung kann zwar täuschen, aber in diesem Fall hast du den Nagel auf den Kopf getroffen.«
    »Möchtest du drüber reden?«
    »Aber nicht hier, ja? Ich hab gehört, dass sie hier jeden Tag um Mitternacht das Neue Jahr einläuten. Ich fürchte, das wäre mir im Moment ein bisschen zu viel.«

    Ich führte ihn zu meinem Wagen und kurvte zu dem Häuschen, das ich mit Lil draußen in Kissimmee bewohnte. Während der zwanzigminütigen Fahrt rauchte er acht Zigaretten, rammte sich eine nach der anderen in den Mund und füllte meinen Sportwagen mit stinkenden Rauchwolken. Ich beobachtete ihn im Rückspiegel. Er hatte die Augen geschlossen und sah in dieser Ruhestellung fast wie ein Toter aus. Ich konnte kaum glauben, dass dies mein lebensprühender Action-Held aus alten Zeiten sein sollte.
    Unterwegs wählte ich heimlich Lils Nummer. »Ich bring ihn mit nach Hause«, teilte ich ihr in subvokalem Modus mit. »Er ist in einem miesen Zustand. Ich weiß nicht genau, was mit ihm los ist.«
    »Ich mach das Sofa zurecht«, sagte sie, »und koche einen Kaffee. Hab dich lieb.«
    »Ich dich auch.«
    Als wir uns dem kitschigen kleinen, windschiefen Ranchhaus näherten, schlug er die Augen auf. »Du bist ein echter Kumpel, Jules.« Ich winkte ab. »Doch, wirklich. Ich hab überlegt, wen ich anrufen könnte, und du bist der Einzige, der mir eingefallen ist. Ich hab dich vermisst, Junge.«
    »Lil sagt, sie kocht einen Kaffee. Du siehst so aus, als könntest du einen gebrauchen.«
    Lil saß auf dem Sofa und wartete schon auf uns. Auf dem Beistelltisch lagen eine zusammengefaltete
Decke und ein Kissen. Daneben standen Becher aus Disneyland Beijing und eine Kanne Kaffee. Sie erhob sich und streckte die Hand aus. »Ich bin Lil.«
    »Und ich Dan. Ist mir ein Vergnügen.«
    Ich wusste, dass sie gerade sein Woppel anpingte, und bemerkte den Ausdruck plötzlicher Missbilligung auf ihrem Gesicht. Alte Knaben wie wir, die schon vor der Einführung des Woppel gelebt haben, wissen zwar, dass die Reputation wichtigist; aber für die Kids ist sie die ganze Welt. Jemand ohne Woppel-Punkte ist von vornherein verdächtig. Lil überwand ihr Misstrauen aber schnell wieder, lächelte und wischte sich die Hand verstohlen an der Jeans ab. »Kaffee?«, fragte sie.
    »Oh ja, gern.« Dan ließ sich aufs Sofa plumpsen.
    Sie goss ihm eine Tasse ein und stellte sie auf einen Untersetzer auf dem Kaffeetisch. »Ich lass euch dann mal in Ruhe plaudern«, bemerkte sie und ging zur Schlafzimmertür.
    »Nein«, sagte Dan. »Warte bitte. Wenn du nichts dagegen hast … Ich würde gern auch mit jemand Jüngerem reden.«
    Sie setzte den Blick emsiger Hilfsbereitschaft auf, den alle Ensemblemitglieder der zweiten Generation aus dem Stegreif beherrschten, nahm in einem Lehnstuhl Platz, holte ihre Pfeife hervor und entzündete ein Klümpchen Crack. Ich hatte
meine Crack-Phase schon hinter mich gebracht, als sie noch nicht geboren war,
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