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Backup - Roman

Backup - Roman

Titel: Backup - Roman
Autoren: Heyne
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Gefährtin von Lils Eltern. Sie hatte ein Jahrzehnt in Disneyland Beijing verbracht und Fahrsimulationen programmiert. Wäre es nach ihr gegangen, hätten wir jede herrliche Rube Goldberg -Maschine im Park abmontiert und durch jungfräuliche weiße Simulatorkabinen auf riesigen Hydraulikgestellen ersetzt.
    Das Problem bestand darin, dass ihre Simulationen wirklich hervorragend waren. Ihre Retrospektive von Filmklassikern bei MGM war atemberaubend – die Star Wars -Sequenz hatte bereits hunderte Fan-Websites inspiriert, die Millionen Hits verzeichneten.
    Ihr Erfolg hatte ihr zu einem Geschäft mit den
Ad-hoc-kraten des Abenteuerlands verholfen, für die sie die Piraten der Karibik wiederbelebte. Die Kulissen steckten voller Anspielungen auf die Klassiker, Schatztruhen, Entermesser und Bugspriets inbegriffen. Es war ein beeindruckendes Szenario; die Piraten waren das letzte Fahrgeschäft, dessen Montage der alte Walt noch persönlich überwacht hatte, und wir hatten es bisher als Heiligtum betrachtet. Doch Debra hatte eine Piraten-Simulation in Beijing installiert, die die Legende von Chend I Sao aufgriff, der chinesischen Piratenkönigin aus dem Neunzehnten Jahrhundert, und es hieß, damit habe sie den ganzen Park vor dem Ruin und dem Sturz in die Bedeutungslosigkeit gerettet. Die Neuauflage dieser Installation in Florida würde die besten Attraktionen des chinesischen Gegenstücks kopieren. Vorgesehen waren KI-betriebene Simulationen, die miteinander und mit den Gästen kommunizierten, sie jedes Mal namentlich begrüßten, wenn sie vorbeifuhren, und ihnen altersgerechte Geschichten über die Piraten der Weltmeere erzählten; eine spektakuläre Tauchfahrt durch eine Totenstadt aus verrottendem Müll auf dem Meeresboden; schauriges Gepfeife und Geheul, wenn die Simulation einen wilden, atemberaubenden Sturm nachempfand. Allerdings sollten sich Themen und Darstellung an der westlichen Tradition orientieren. Also würden Duftschwaden
jamaikanischer Pfeffersauce durch die Lüfte wabern, afro-karibische Akzente zu hören sein und die Choreografien der Schwertkämpfe sich an den Vorlagen jener Piraten ausrichten, die einst durch die blauen Meere der Neuen Welt gekreuzt waren. Reihen gleichförmiger Simulatorkabinen sollten künftig den Platz einnehmen, der derzeit noch von den sperrigen Fahrgeschäften und Dioramen beansprucht wurde. Ziel war dabei auch, das Fassungsvermögen an Zuschauern zu verfünffachen und deren Durchlaufzeit zu halbieren.
    »Und was hat Debra vor?«
    Lil löste sich von den mechanischen Innereien des Gouverneurs Richard Oglesby, Abraham Lincolns Mann fürs Grobe, und zog scherzhaft eine Grimasse, als wäre sie ernsthaft beunruhigt. »Sie ist gerade damit beschäftigt, die Piraten auf Vordermann zu bringen – und sie leistet fantastische Arbeit. Sie und ihre Leute sind dem Zeitplan weit voraus und machen im Netz bereits Furore. Die einflussreichen Gruppen überschlagen sich geradezu. « Inzwischen war alles Scherzhafte aus ihrem Gesicht verschwunden und echter Sorge gewichen.
    Sie wandte sich ab, schloss den Deckel des alten Abe und tat so, als feuerte sie mit einem Gewehr auf ihn. Er setzte sich geschmeidig in Bewegung und nahm nacheinander verschiedene
Posen ein, lautlos bis auf das schwache Summen und Pfeifen seiner Servomotoren. Als Lil die Hand so bewegte, als drehte sie an einem Knopf, war seine Audiospur zu hören, anfangs nur leise: »Sämtliche Armeen Europas und Asiens könnten es in tausend Jahren nicht erzwingen, dass sie aus dem Ohio River trinken oder ihre Spuren auf dem Blue Ridge hinterlassen. Wenn der Untergang unser Los ist, können nur wir selbst die Urheber und Vollender sein.« Sie tat so, als drehte sie den Ton ab, und er verstummte wieder.
    »Sie sagen es, Mister President«, bemerkte sie, feuerte noch einen symbolischen Schuss auf ihn ab und schaltete ihn auf diese Weise wieder aus. Danach bückte sie sich, um seinen handgenähten authentischen Überzieher zurechtzurücken, stellte vorsichtig die Taschenuhr in seiner Westentasche und zog sie auf.
    Ich legte ihr den Arm um die Schultern. »Du tust, was du kannst – und du bist gut.« Ich hatte mich auf den lockeren Plauderton verlegt, der unter Ensemblemitgliedern üblich ist, und es war mir selbst peinlich, mit welch platten Worten ich sie aufzumuntern versuchte. Deshalb schloss ich sie nur lange und fest in die Arme und ließ meine Hände über ihren Körper gleiten, um ihr meinen Beistand zu versichern. Da ich keine Worte
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