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AvaNinian – Zweites Buch

AvaNinian – Zweites Buch

Titel: AvaNinian – Zweites Buch
Autoren: Ina Norman
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umgab Ihn, auf dem Seine Priester standen und die Hornbläser mit geblähten Wangen die geschwungenen Widderhörner erschallen ließen.
    Priapos - nicht mehr der lächerliche Zwerg mit dem grotesk vergrößerten Glied, den die Alten auf Wände gekritzelt oder aus Ton geformt hatten. Hier war Er der erschaffende Speer, die Leben spendende Rute, ein gewaltiger, hoch aufgerichteter Lingam, den ein Mann nur mit Mühe umfangen konnte.
    Die wachsgelbe, von bräunlichen Adern durchzogene Substanz schimmerte, als fiele ein Sonnenstrahl auf wirbelnden Schlamm. Den Männern, denen es gelungen war, zu dem Gotte vorzudringen, standen die Haare zu Berge und manchmal zuckte eine Hand, die sich anbetend auf den Schaft legte, wie von einem Schlag zurück. Eine seltsame, knisternde Kraft steckte in der Säule, die lebendig wurde, wenn man sich an ihr rieb - und in dieser Nacht war des Reibens kein Ende.
    Außer Fackeln an den Wänden erhellten nur wenige Kerzen auf dem Gerüst das Treiben rund um den Gott. In ihrem düsteren Licht glänzten schweißnasse Gesichter, Schultern und Arme, die Ausdünstungen vieler Leiber hingen wie eine Glocke in der stickigen Luft.
    Die Männer hatten alle Hemmungen fahren lassen, ihre Erregung schwappte wie ein heißes Meer gegen Jermyns abgeschirmten Geist.
    Er schloss die Sperren fester und betrachtete ausdruckslos das Treiben in dem kreisrunden Gewölbe. In den letzten Nächten hatte er zur Genüge erfahren, wie überwältigend die Empfindungen einer großen, gleichgestimmten Menschenmenge wirkten. Er wollte sich nicht wieder verlieren.
    Seit undenklichen Zeiten gab es ein Heiligtum im Herzen der Höfe. Die Legende erzählte von dem gewaltigen Wurf, mit dem der Eroberer Ulissos seinen Speer vom Schiff an Land geschleudert hatte. Wo er in die jungfräuliche Erde gefahren war, hatten sie den ersten Altar Deas errichtet und ihn dem Priapos geweiht. Denn Dank seiner Manneskraft hatte der Held die Gunst der Meergöttin Demaris errungen, die ihn über alle Fährnisse der Inneren See an die fruchtbare Küste Lathicas geführt hatte.
    Ein ungleich prächtigerer Tempel war später für die Schutzherrin der neu gegründeten Stadt errichtet worden, die ältere Kultstätte aber hatten die Männer geheim gehalten. Es war der Weiheort der Mannheit, der verborgene Tempel des Priapos, des Herrn der männlichen Stärke und Zeugungskraft. Kein Mann versagte Ihm seine Verehrung, selbst die Zweifler wollten sich Sein Wohlwollen nicht verscherzen. Einmal im Jahr öffneten sich die unterirdischen Pforten und die Männer Deas, vor allem die Armen und die Jungen, kamen, um Ihm zu huldigen.
    Fünfzehnjährig wurden die Knaben von älteren Verwandten oder Freunden, niemals von ihrem Vater, zum ersten Mal unter die Erde geführt und brachten dem Herrn ihr Opfer dar, ein Akt, dem sie mit Angst und Wonne entgegensahen. Erst dann waren sie in den Kreis der Männer aufgenommen, vorher war es ihnen, ebenso wie jedem weiblichen Wesen, bei strengsten Strafen verboten, den Gott zu schauen und an den Zeremonien teilzunehmen.
    Jermyn war durch Seykos vorgestellt worden, ein Jahr bevor Vater Dermot ihn aufgespürt hatte. Als die Hörner gerufen hatten, war er Seykos im Gewimmel der Höfe über den Weg gelaufen und der Fassadenkletterer hatte ihn am Kragen gepackt.
    »Na, des trifft sich doch«, hatte er gegrölt, »du bis bestimmt alt genug, du kleiner Mistkerl, da bring ich Ihm glatt frisches Blut, das wird Ihn gnädig stimmn!«
    Es hatte ihm nichts genützt. Wenige Wochen später hatte er sich den Hals gebrochen, was Jermyn in seiner Meinung bestätigte, dass armes Volk vergeblich auf die Hilfe der Götter hoffte.
    Die Weihung hatte ihn nicht beeindruckt. Wie die meisten bösen Gassenjungen hatte er sich schon vorher durch Gänge und Lüftungsschächte gewunden - zu eng für einen ausgewachsenen Mann, aber groß genug für einen mageren, wendigen Dreizehnjährigen - und die schwitzenden, brüllenden Männer belauscht. So hatte er gewusst, was auf ihn zukam und seine Fassung bewahrt, genügend abschirmen konnte er sich damals schon. Und was die Gunst des Herrn bei den Frauen anging, so hatte er auch dabei nicht auf den Gott gewartet - die Huren waren freigiebig genug, wenn sie in der richtigen Stimmung waren.
    Niemals hatte er jedoch eine Frau von dem Herrn und seiner mächtigen Rute reden hören, nicht einmal die schlimmsten Schandmäuler der Gosse wagten dies, und so hatte es ihn erschüttert, als Ninian so unbekümmert darüber
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