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AvaNinian – Zweites Buch

AvaNinian – Zweites Buch

Titel: AvaNinian – Zweites Buch
Autoren: Ina Norman
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Lehm die mächtigen Säulen hinauf, Bruchstücke eines Kapitells fielen krachend zwischen die kreischenden Frauen. Die Gestelle neben den Tischen stürzten um, Messer, Zangen und Pflöcke schlitterten klirrend über die harte Erde. Die Frauen hatten Mühe, ihr Gleichgewicht zu halten. Bei dem panischen Versuch, aus der einstürzenden Halle zu fliehen, traten sie auf ihre Umhänge und fielen auf die Knie. Unter ihren Händen gab der Boden nach und in kopfloser Flucht krochen sie auf allen Vieren.
    Ninian sah sich nach den Ausgängen um. Die Tür oberhalb der Stufen war durch die Leiber der Fliehenden versperrt, die einander schreiend von dem Durchgang wegstießen. Vor dem Eingang aber, durch den sie gekommen waren, türmten sich die Reste einer umgestürzten Säule, als wolle die Göttin ihre Opfer an der Flucht hindern. Selbst wenn es Ninian gelang, die Trümmer zur Seite zu räumen, wusste sie nicht, wohin die Gänge dahinter führten. Sie mussten den Frauen folgen, die ihren Weg kannten.
    »Kommt!« Im Laufen riss sie Violetta mit, die immer noch mit leerem Gesichtsausdruck dastand.
    Sie kamen nicht weit. Von der Seite warfen sich ihnen schwarzgekleidete Frauen in den Weg, Priesterinnen, außer sich vor Zorn über die Schmach, die ihrer Göttin angetan wurde. Mit gekrümmten Fingern stürzten sie sich auf Ninian. Scharf geschliffene Nägel zogen eine brennende Spur über ihre nackte Schulter, sie stieß ihre Hand in eine rußige, wutverzerrte Fratze. Funken sprühten, schreiend fiel die Frau zurück und schlug die Hände vor ihr versengtes Gesicht. Die Mädchen wimmerten entsetzt.
    »Wehrt euch«, schrie Ninian zornig, »sie hätten euch geschändet und umgebracht!«
    Sie trat um sich und eine Angreiferin knickte ein, von ihren harten Zehen am Knie getroffen. Von allen Seiten kamen sie, wild ihre Fackeln schwenkend. Ninian schleuderte eine bläuliche Lohe, sie fuhren auseinander, aber eine Frau duckte sich geschickt und warf ihre Fackel. Der spinnwebdünne Stoff der weißen Röcke kräuselte sich schwarz und begann zu qualmen. Die Frau kreischte triumphierend, verdrehte die Augen und brach zusammen.
    Hinter ihr stand das derbe Mädchen und betrachtete liebevoll die metallene Rassel in ihrer Hand.
    »Is ja doch zu was Nutze, das blöde Ding«, sie half den glimmenden Stoff abzureißen, »un du auch, Frollein ... wie heißte denn?«
    »Ninian, ich bin kein Fräulein, aber danke, ich fühl mich geehrt, Jungfer ...?«
    »Maleen, aber Jungfer bin ich schon lang nich mehr.«
    Sie grinsten sich an.
    »Komm, Maleen, lass uns die Schäfchen rausbringen.«
    Ein gellender Schrei übertönte den Lärm.
    »Seht, die Göttin!«
    Kalivaga erwachte zu furchtbarem Leben. Drohend neigte sich der Kopf mit dem weit aufgerissenen Rachen, Risse durchzogen ihren Leib, die mächtigen Glieder bebten und aus der Wunde in ihrem Schoß quoll flüssige Glut. Im Kampf der Göttinnen entzog die Erdenmutter ihrer Gegnerin den irdischen Stoff.
    Ninian packte Violettas Hand fester.
    »Raus hier, bevor sie zusammenbricht!«
    Während sie den Angriff der Priesterinnen abwehrten, war die Hohepriesterin wieder zu sich gekommen. Hasserfüllt flammten die Augen hinter der goldenen Maske beim Anblick der kämpfenden Mädchen. Unbemerkt kroch die Frau über den schwankenden Boden, bis ihre Finger kalten Stahl berührten. Blut quoll aus dem tiefen Schnitt, den ihr die rasiermesserscharfe Klinge beibrachte. Ohne darauf zu achten, tastete sie nach dem Griff und richtete sich schwankend auf. Geduckt schlich sie vorwärts, eine barbarische Gestalt, den nackten Leib mit Blut und Ruß verschmiert.
    Ninian wandte ihr einladend den bloßen Nacken zu, die Hohepriesterin setzte zum Sprung an, das halbmondförmige Messer erhoben, um ihre Göttin zu rächen und ihr das ersehnte Blutopfer zu bringen.
    Doch aus dem vollkommenen Bogen wurde ein ungelenker Sturz. Das Messer fiel ihr aus der Hand, der Fuß, der sie zu Fall gebracht hatte, schleuderte es außer Reichweite. Als sie sich, rasend vor Zorn, aufrichten wollte, traf derselbe Fuß mit unbarmherziger Sicherheit ihr Kinn. Sie stürzte wie ein gefällter Baum und blieb mit gespreizten Gliedern liegen. Die rotgewandete Priesterin wartete über ihrer reglosen Gestalt, bis Ninian und die anderen Mädchen verschwunden waren. Dann bückte sie sich, fasste die Hohepriesterin unter die Achseln und schleppte sie zwischen den wankenden Beinen der Statue hindurch aus dem Tempelraum.
    Ninian hatte nicht gemerkt, was hinter ihrem
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