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AvaNinian – Zweites Buch

AvaNinian – Zweites Buch

Titel: AvaNinian – Zweites Buch
Autoren: Ina Norman
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sprach. Nachdem sie seine Geliebte geworden war, hatte er sich gehütet, die Wonnen aufs Spiel zu setzen, indem er verbotene Geheimnisse preisgab. Man konnte nie wissen - die Götter waren eine hinterfotzige Bande ...
    Der dumpfe Ruf der Hörner brach sich an den Tempelwänden, nie ebbte er ab. Hin und wieder erkletterte ein Mann das Gerüst und löste einen der Bläser ab. Jedem war es erlaubt, aber es war nicht leicht, dem gewundenen Gehörn einen Laut, geschweige denn den langgezogenen, volltönenden Ruf zu entringen, der die Männer herbeirief und den Gott ehrte. Wehe dem Mann, dem es nicht gelang. Hohn und Spott waren ihm sicher und das ganze Jahr über würde ihm das Unglück wie Pech an den Fersen haften.
    Die Priester, nackt bis auf die Hauben über den Köpfen und blökend wie die großen Widder auf dem Viehmarkt, begossen den Herrn mit stark duftendem Öl. Dazwischen intonierten sie die immer gleiche Litanei, die von den Gläubigen aufgenommen und unaufhörlich wiederholt wurde.
    »Priapos, Priapos - Herr des Lebens. Priapos, Herr der Stärke. Priapos, sieh, deine Söhne - segne uns. Priapos, Priapos ...«
    Ab und zu durchbrach verzücktes Gebrüll den eintönigen Singsang, wenn es einem Mann gelungen war, den Gott zu umfangen und sich an ihm zu reiben, bis er seinen Tribut entrichtet hatte. Raue Koseworte und Schulterklopfen empfingen ihn, sobald er sich in die Menge zurückfallen ließ, war ihm doch der Erhalt seiner Manneskraft für ein weiteres Jahr sicher.
    Nicht jeder hatte den Mut zu diesem öffentlichen Opfer, viele brachten es im Schutz der Dunkelheit und die meisten begnügten sich damit, den Herrn zu berühren. Nur von den Erstlingen wurde erwartet, dass alle Zeugen waren, wenn sie dem Herrn ihre Aufwartung machten. Die Männer glaubten, es bringe Glück, diesem ersten Opfer beizuwohnen, für die Jungen war es eine Quälerei, erträglich nur durch einen Rausch, zu dem ihnen vorher verholfen wurde. Die Gerissenen täuschten eine Ohnmacht vor oder spielten Theater. Jermyn hatte sich nicht zum Narren machen lassen, er hatte gewusst, was von ihm erwartet wurde.
    Das Spektakel begann ihn zu langweilen. Aber er scheute die Heimkehr in die verlassene Palastruine. Wie sollte er es ertragen, wenn Ninian nicht dort war, wenn sie am Morgen nicht wiederkam ...
    Aus dem Augenwinkel sah er eine Bewegung. Etwa zehn Schritte von ihm entfernt hatten sich ein paar Männer aus der Menge gelöst und eilten verstohlen eine in den Boden eingelassene Treppe hinunter. Ihre Köpfe hoben sich schwarz vor dem Lichtstreifen einer geöffneten Tür ab. Mit dem rötlichen Schein drangen Geräusche aus dem Spalt - ein hohes Kreischen. Für einen Moment übertönte es den Lärm im Tempel und der Strom um den Gott stockte einen Herzschlag lang. Einer nach dem anderen verschwanden die Köpfe, der Spalt schloss sich und schnitt die Stimme ab. Dort unten wurden andere Opfer gebracht.
    Nach kurzem Zögern folgte Jermyn den Männern. Die Tür öffnete sich auch für ihn, sie war weder bewacht noch verschlossen.
    Die Schreie waren verebbt, nur Keuchen und dumpfes Murmeln empfingen ihn. Die Decke der Kammer hing so tief über den Köpfen der versammelten Männer, dass die Hochgewachsenen mit gebeugten Schultern standen. Niemand blökte, keine anbetenden Rufe wurden laut. Glimmende Kohle knisterte in eisernen Schalen und warf ihren blutigdüsteren Schein an die Wände. Süßlicher Gestank legte sich schwer auf Jermyns Brust.
    Der Schaft des göttlichen Gliedes ragte hier aus der blanken Erde und verschwand in der Gewölbedecke. Hier schimmerte es nicht golden, es war vom toten Braun geronnenen Blutes. Zwei schwarze Kadaver, ein Bock und ein Stier, lagen mit durchschnittener Kehle über einer Mulde. Sie waren lange ausgeblutet, die Mulde geleert. Dieses Opfer war zu Beginn der Nacht gebracht worden.
    Jetzt, in dieser dunkelsten Stunde, war kein Tier auf den Schlachtblock gebunden.
    Die nackte Gestalt des Burschen, den die Kutsche abgeladen hatte, schimmerte wächsern in dem düsteren Raum. Die Frauenkleider hatten sie ihm heruntergerissen, die Flachsperücke in den weit offenen Mund gestopft. Er war kein Mann mehr.
    Ein Priester hielt eine silberne Schale mit frischem, hellem Blut. Ein Bittsteller nach dem anderen trat vor, schöpfte eine Handvoll und begoss den Gott. Sie sprachen nicht. Nur wer Wünsche von Hass und Rache hatte, opferte hier und diese Wünsche brannten hell genug im Geist des Opfernden. Aus den Schatten in den
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