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AvaNinian - Drittes Buch (German Edition)

AvaNinian - Drittes Buch (German Edition)

Titel: AvaNinian - Drittes Buch (German Edition)
Autoren: Ina Norman
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machen. Hätte ich ihn nicht nachgeprüft, hättest du dich erwürgen können. Du bist so ... so rühr mich nicht an, fast wie am Anfang, und bei jeder Kleinigkeit springst du mir ins Gesicht.« Er schüttelte sie sanft. »Ninian, was ist los?«
    Sie schwieg eine ganze Weile und er wappnete sich. Die Frage quälte ihn schon seit einiger Zeit, er fürchtete die Antwort und hasste die Furcht. Warum war er sich ihrer immer noch nicht sicher, nach allem, was sie zusammen erlebt hatten?
    Ninian schniefte und putzte sich die Nase mit dem Rest des zerfetzten Ärmels.
    »Ich fühle mich eingesperrt«, brach es aus ihr heraus. »Überall nur Mauern und Steine und Häuser und grässliche Straßen und Dreck. Ich kann es nicht mehr sehen. Ich will raus ...«
    Jermyn starrte sie an.
    »Was? Aber du kannst raus, wann immer du willst.«
    »Siehst du, du verstehst es nicht! Ich will aus dieser ganzen verdammten Stadt raus. Sie erdrückt mich, alles ist immer gleich, immer gleich ...«
    »Wie kannst du das sagen? Die Wilden Nächte und vor zehn Tagen das Frühlingsfest - war das keine Abwechslung?« Er war ehrlich entrüstet.
    »Pah, Frühlingsfest«, unterbrach sie ihn mit verzweifeltem Lachen. »Es gibt überhaupt keinen Frühling! Man merkt nichts davon, gar nichts. In Tillholde sind jetzt die letzten Schneereste aus den Tälern verschwunden, in den Wäldern sieht man einen grünen Schleier, ganz zart, und man hört die Bäche rauschen. Bei uns bringt man auch Opfer für ein gutes Jahr, aber wir feiern ein echtes Frühlingsfest. Alle stehen dabei bis zu den Knöcheln in den umgepflügten Feldern, im dampfenden Mist. Du kannst ruhig die Nase rümpfen, hier stinkt es viel schlimmer! Meine Mutter ... die Erdenmutter ergießt sich in die erwachende Erde, überall fühlt man, wie das Leben neu beginnt. Hier spürt man nichts, nichts, nur immer Regen und Nebel, kein Stückchen blauer Himmel, kein freier Wasserlauf, nur diese widerliche Giftbrühe, die ihr Fluss nennt. Bei uns freuen sich die Menschen, dass der Winter vorüber ist, hier merken sie nicht einmal, dass Winter ist und dass er vorbeigeht.«
    »Aber wir hatten sogar Schnee«, widersprach Jermyn schwach, überrumpelt von ihrem leidenschaftlichen Ausbruch. Vor einigen Wochen waren zwei Tage lang Schneeflocken auf die Große Stadt herabgefallen und hatten den Dreck für wenige Stunden mit einer dünnen weißen Decke überzogen. Die ganze Stadt hatte das Ereignis gefeiert und Jermyn war fasziniert gewesen, aber schon damals war ihm Ninians Verdrossenheit aufgefallen.
    »Schnee? Das war doch kein Schnee!«, schnaubte sie. »Du hast keine Ahnung. Schnee ist eine vier, fünf Fuß hohe Decke, die monatelang alles zudeckt. Und wenn du es nicht mehr ertragen kannst, all das Weiß - dann kommt der Frühling. Kannst du dir das vorstellen?«
    »Ich kann mich nicht erinnern, dass du im Haus der Weisen so einen Koller bekommen hast. Da war nie die Rede davon, dass du Schnee und Frühling und den ganzen Kram vermisst«, sagte er vorwurfsvoll. Sie zuckte ungeduldig die Schultern.
    »Da waren wir am Fuß der Berge, umgeben von Wäldern und Bächen. Außerdem hab ich da noch nicht gewusst, wie wichtig mir das alles ist, ich hab nie darüber nachgedacht. Aber jetzt weiß ich es und mir ist, als müsste ich aus der Haut fahren.«
    Sie wischte sich mit der Hand über die Augen und lehnte sich mit einem tiefen Seufzer gegen ihn. Nach einer Weile regte Jermyn sich.
    »Und was hast du jetzt vor? Wirst du ... wirst du nach Tillholde zurückkehren, wenn dir das alles so fehlt?«
    Überrascht durch die Mutlosigkeit in seiner Stimme sah sie ihn an. Er starrte vor sich hin, ein bitterer Zug lag um seinen Mund.
    »Idiot! Wie kommst du denn darauf?«, sie kicherte trotz ihres Jammers. »Ich gehe niemals nach Tillholde zurück. Nein, ich will an einen Ort, wo ich Berge und Wälder sehen kann, wo ich Erde und kein Pflaster unter den Füßen spüre und wo es grün ist und blüht. Aber mit dir zusammen, du Stadtgewächs, begreif das doch!«
    Sie schob ihren Finger durch den Kupferring an seinem Zopf und zog nachdrücklich daran.
    »Au, hör auf, mir tut schon alles weh.«
    Er hielt ihre Hand fest, ihm war schwindelig vor Erleichterung. Die alte Angst hatte ihn gepackt, als sie so sehnsüchtig von ihrer Heimat gesprochen hatte.
    »Und wegen so einer dämlichen Kleinigkeit machst du mir das Leben zur Hölle, lässt mich abstürzen ...«
    »Kleinigkeit nennst du das? Und ich hätte dir das Leben zur Hölle gemacht?
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