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Australien 02 - Der Sternenleser

Australien 02 - Der Sternenleser

Titel: Australien 02 - Der Sternenleser
Autoren: Kate Grenville
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verantworten haben .
    Einst hatte Rooke gedacht, er werde den Rest seines Lebens in New South Wales verbringen, doch dann hatte es gerade noch einen Monat gedauert, bis die erstbeste Gelegenheit eingetreten war.
    Es hatte eine kräftige Brise geweht, Rooke konnte das Wasser unten im Hafen gegen die Felsen am Fuß der Landspitze klatschen hören. Sobald es hell war, würde die Gorgon klargemacht werden. Auf dieser Reise würde es keinen Zeitmesser geben, den es aufzuziehen galt, und an ihrem Ende würde ihn auch kein neues Land erwarten, sondern nur die ungewissen Jahre seines restlichen Lebens.
    Rooke stand auf und trat ins Freie. Dort oben am Himmel stand Beteigeuze und ein Stück davon entfernt wie eh und je der weißlich leuchtende Rigel.
    Beide waren schon von Anfang an da gewesen. Was auch immer der Anfang gewesen sein mochte. Und würden immer noch da sein, wenn von dem Materieteilchen namens Daniel Rooke nicht einmal mehr der Name auf einem vergessenen Grabstein existieren würde, wenn der Grabstein selbst Körnchen für Körnchen verwittert wäre. Auch dann würden Rigel und Beteigeuze noch immer gemeinsam über den Himmel ziehen.
    Rooke hatte Feuer gemacht und zum letzten Mal eine Portion Süßtee aufgebrüht. Warraburra . Dann hatte er seinen Stuhl hinausgetragen, sich wie so oft mit dem Rücken zur Wand hingesetzt und ein letztes Mal den Aufgang der Sonne verfolgt. Seine tiefen Atemzüge klangen wie Seufzer, ums Herz herum spürte er eine Kälte. Ein weißer Papagei, von den ersten Sonnenstrahlen prachtvoll vergoldet, flatterte über das Stück blauen Himmel zwischen den Baumkronen.
    ✳
    Um zwölf Uhr Mittags legte die Gorgon ab, unter lautem Klappern und Quietschen der Blöcke wurden die Segel gehisst. Rooke stand am Heck und blickte zu der Landspitze hinüber, die bei den Eingeborenen Tarra hieß. Seinen Landsleuten hatte er den Vorschlag gemacht, die Landspitze nach Dr. Vickery zu benennen, aber sie wollten ihr unbedingt seinen Namen geben.
    Rooke konnte das Dach seiner Hütte und das kühne kleine Zeltdach des Observatoriums erkennen. Auf den Felsen unterhalb der Hütte, auf der äußersten Spitze der Landzunge, sah er ein paar Eingeborene stehen. Unter ihnen konnte er gerade noch die Gestalt von Tagaran ausmachen.
    Sie war an jenem Morgen heruntergekommen, aber nicht wie sonst fröhlich die Felsen hinuntergehüpft. Sie hatten kaum gesprochen. Es gab nichts zu sagen. Während Rooke seine Tasche zuschnallte, die Riegel der Seekiste verschloss und sich dann darauf setzte und wartete, dass die Männer kamen und die Kiste zum Schiff schleppten, hatte Tagaran vor dem Kaminfeuer gekauert. Sie hatte die Hände darüber gehalten – so nah, dass Rooke Angst hatte, sie würde sich die Handflächen verbrennen – und war dann herübergekommen und hatte sich neben ihn auf die Kiste gesetzt.
    Wie schon einmal nahm sie seine Hände zwischen ihre. Rooke spürte den sanften Druck ihrer Finger und die Wärme, die sie an seine Finger abgaben. Er schloss die Augen. Seine Haut war jetzt ebenso warm wie ihre, so dass er nicht mehr wusste, welches ihre und welches seine eigene Wärme war.
    Als die Männer kamen, um die Seekiste zu holen, warfen sich Rooke und Tagaran einen letzten kurzen Blick zu. Rooke folgte den Männern die Felsen hinauf zum Hügelkamm. Oben angekommen, drehte er sich nicht um. Die Hand fest zugedrückt, um die Wärme, die Tagaran an ihn abgegeben hatte, darin festzuhalten, ging er weiter hügelabwärts den Pfad entlang zu der Stelle, an der die Boote warteten.
    Doch während er jetzt an der Reling im Heck der Gorgon lehnte und das Schiff Fahrt aufnahm, konnte er Tagaran dort unten an der äußersten Spitze der Landzunge deutlich erkennen. Sie stand auf dem Felsen, auf dem er einmal einen Eingeborenen beobachtet hatte, wie dieser mit dem Speer einen Fisch fing und unter seine Hüftschnur klemmte. Tagaran stand so weit draußen, dass die Wellen bei jedem Atemzug des Wassers über ihre Füße schwappten. Rooke musste lächeln: Sie war so nahe an die Gorgon herangekommen, wie es vom Land aus möglich war.
    Während der Wind die Segel blähte und die Gorgon immer schneller hafenauswärts fuhr, winkte er zu ihr hinüber, und sie antwortete sofort, schwenkte den Arm in einem weiten Halbkreis durch die Luft. Über die Wasserfläche zwischen ihnen hinweg spannte sich ein langer Faden, wurde länger und länger, während ihre Gestalten kleiner wurden.
    Bald war Tagaran von den Felsen ringsum nicht mehr zu
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