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Aussteigerin aus Versehen (German Edition)

Aussteigerin aus Versehen (German Edition)

Titel: Aussteigerin aus Versehen (German Edition)
Autoren: Heike Langenkamp
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Das ist meine Welt. Nein, das ist nur eine meiner Welten. Die andere ist mein kleines Häuschen im Wald. Das ist die reale Welt. Ich lebe in einer ehemaligen Wochenendhütte von etwas über fünfzig Quadratmetern Grundfläche, die auf meinem eigenen dreitausenddreihundert Quadratmeter großen Waldgrundstück steht. Umgeben von noch mehr Wald mit weiteren kleinen Holzhäusern. Die meisten davon sind fast nie bewohnt und das ist auch gut so. Sie gehören Leuten aus Hamburg oder Berlin, die hier früher ihre Wochenenden und Urlaube verbracht haben. Die meisten Besitzer sind inzwischen jenseits der siebzig, also Rentner. Die versterben so nach und nach und deren Kinder haben keine Lust auf langweilige Tage im Wald. Zum Glück. Jedenfalls für mich. Ich liebe die Einsamkeit und es kann mir hier eigentlich gar nicht einsam genug sein. Keine Nachbarn heißt für mich: keiner meckert, wenn mein Hahn zu viel kräht. Keiner macht Krach, wenn ich in meiner Hängematte dösen will. Keiner sieht mich, wenn ich nachts nackig in meinen Pool springe. Keiner merkt's, wenn ich gegen dreizehn Uhr immer noch im Schlafanzug und Morgenmantel rumlaufe, weil es ja so bequem ist, oder ich einfach noch nicht dazu gekommen bin, mich vernünftig anzuziehen. Blöd nur, wenn ich vergessen habe, dass ich gestern mal wieder etwas online bestellt habe und mich dann der Postbote so erwischt. Schon ein wenig unangenehm … Aber meistens legt er die Post sowieso im Schuppen ab und ich muss auch mit ihm nicht reden. Überhaupt will ich eigentlich mit gar keinem Menschen reden. Worüber auch? Ich bin genervt von „Smalltalk“ und ähnlich sinnlosen Gesprächen über das Wetter und sonstiges. Wenn, dann rede ich meistens mit oder über meine Tiere. Und das interessiert die wenigsten. Also schreibe ich alles in meinen Blog und werde es so los.
    Ich muss noch manchmal an die alten Zeiten zurück denken, als ich noch in einer „normalen“ Siedlung gelebt habe. Eine von diesen Siedlungen, in der alle Grundstücke rechteckig und gleich groß sind. Lauter aneinander gereihte Einfamilienhäuser mit gleichem Komposter am Grundstückende. Gerade Straße mit zwei Häuserreihen, so dass sich dann am hinteren Ende des Grundstücks sechs Komposthaufen treffen. Der eigene, einer links einer rechts und drei gegenüber. Und alle Küchenfenster gehen zur Straßenseite, weil alle Häuser irgendwie gleich sind. Manchmal denke ich mit Gruseln an meine Zeit dort zurück: Morgens gegen sieben Uhr schlurfte ich verschlafen im kurzen Hemdchen mit der Kaffeekanne in der Hand zum Waschbecken, da brüllte mit schöner Regelmäßigkeit jemand aus dem Garten gegenüber ein fröhliches „Mooooorgääääähn“ über die Straße und winkte mir zu! Wie ich das gehasst habe! Ich will morgens um sieben Uhr nicht angesprochen werden. Schon gar nicht von wildfremden Nachbarn, die um diese Uhrzeit schon im Vorgarten buddeln. Irgendwann bin ich dann nur noch geduckt zum Waschbecken gekrochen - dieses befand sich dummerweise genau unter besagtem Fenster zur Straße - und habe dann vor der Spüle hockend mit langem Arm heimlich Wasser für die Kaffeemaschine abgezapft. Dabei kam ich mir schon ein wenig dämlich vor. Aber das war im Sommer die einzige Möglichkeit diesem grußfreudigen Nachbarn zu entgehen.
    Heute frage ich mich: wieso habe ich die Kaffeemaschine eigentlich nicht ins Wohnzimmer gestellt und das Wasser aus dem Bad geholt? Tja, „so weit“ war ich damals noch nicht. Damals war ich noch Mitglied der normalen Welt. Und in dieser Welt gehört die Kaffeemaschine nun mal in die Küche. Warum? Weil alle es so machen und weil es nun mal so ist. Damals lebte ich eben noch normal verheiratet in einem normalen Haus mit normalem Vorgarten in einer normalen Siedlung. Obwohl ich mir schon damals Gedanken über den Sinn einiger normalen Dinge gemacht habe. Zum Beispiel darüber, warum alle Häuser diesen sinnfreien langweiligen Vorgarten haben. Man kann nix darin machen, weil keiner an der Straße sitzen will. Man muss ihn aber doch dauernd pflegen, weil ja jeder ihn sieht. Mich nervte dieses Stück vom Grundstück, denn es sorgte ständig für Ärger. Unsere damaligen Vermieter waren auch gleichzeitig meine Schwiegereltern. Und wenn der Rasen in diesem Vorgarten mal zu hoch war, dann gab es sofort „was sollen die Leute denken“ Vorwürfe. Das war mir doch egal. Meiner Schwiegermutter leider nicht. Und so gab es ständig Reibungspunkte und irgendwann hatten wir die Nase voll und sind
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