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Ausgeträllert (German Edition)

Ausgeträllert (German Edition)

Titel: Ausgeträllert (German Edition)
Autoren: Minck
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eiskalter Luft quollen aus einem Tiefkühlraum in den Kellergang. Zuerst konnte ich kaum etwas erkennen außer Schweine-und Rinderhälften, die in Reih und Glied von der Decke hingen.
    »Jetzt komm doch endlich, verflucht!«, schrie Jorgo. Ich tauchte in den Eisnebel ein und tastete mich vorwärts. Dabei stolperte ich über einen Stuhl und prallte im nächsten Augenblick mit Jorgo zusammen. Er hielt ein Paar Menschenbeine umklammert. Ich rappelte mich auf und schaute nach oben. Dennis hing zwischen zwei Rinderhälften von der Decke. Hervorquellende, milchig-trübe Augen glotzten mich an. Seine dunkelblaue Zunge klemmte zwischen seinen Zähnen. Das Gesicht war grau und von Eiskristallen übersät.
    »Steig auf den Stuhl. Nimm das Messer aus meiner Tasche und schneid das Seil durch!«, herrschte Jorgo mich an. »Mach schon!«
    Ich griff in seine Hosentasche, ließ das Messer aufschnappen und versuchte, auf dem Stuhl balancierend, den Strick durchzuschneiden. Im selben Augenblick fragte ich mich, was ich da eigentlich tat. Dennis Heibuch war schon lange tot. Wir sollten die Polizei rufen.
    Jorgo schrie: »Weiter, mach weiter ... schneid das Ding durch!«
    Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis ich den Strick durchtrennt hatte. Jorgo ächzte unter Dennis’ Gewicht, verlor die Balance und fiel hin. Die Leiche schlug dumpf auf dem Fliesenboden auf. Jorgo packte den Kragen von Dennis’ Jacke und zerrte ihn in den Kellergang. In Dennis Haaren schmolzen die Eiskristalle und hinterließen eine feuchte Spur auf den Bodenfliesen.
    »Er ist nur kalt. Er ist nicht tot. Bestimmt nicht ...«, murmelte er. Dann beugte er sich über die Leiche und versuchte es mit Herzmassage, bis er erschöpft über dem starren Körper zusammenbrach.
    »Jorgo, er ist tot«, sagte ich.
    »Nein, ruf einen Krankenwagen.«
    »Wann hast du ihn gefunden?«
    »Ruf einen Krankenwagen!«
    »Es ist zu spät. Er ist doch schon steif gefroren.« Ich zog Jorgo von der Leiche weg und sagte: »Setzt dich da hin. Du kannst nichts mehr für ihn tun.«
    Er nestelte mit zitternden Händen eine Zigarettenschachtel aus seiner Jackentasche. Ich nahm sie ihm aus der Hand, zündete zwei an und gab ihm eine. Jorgo zog gierig an der Zigarette und sagte: »Er hat seinen Vater nicht umgebracht. Er war das nicht.«
    »Woher willst du das wissen?«
    »Weil er es mir gesagt hat.«
    »Wann?«
    »Vorgestern, Gestern ... Er hat es mir immer wieder gesagt. Er hat sich vor Dimi und Stojko bei mir versteckt, nachdem er ihnen das letzte Geld aus dem Tresor gegeben hatte. Er wusste doch nicht wohin, und ich ... ich hatte was gutzumachen, also hab ich ihn bei mir untergebracht. Da hat doch keiner gesucht, weil wir uns doch nie verstanden haben ... Aber ich habe ihm geglaubt. Dennis war ehrlich.«
    »Ich weiß nicht, Jorgo. Warum bringt er sich um, wenn er es nicht gewesen ist? Und warum bist du dann gestern Abend vom Schiff abgehauen? Weil du Dennis so sehr vertraut hast? Was wusstest du über die Familienverhältnisse? Dennis hat dir doch bestimmt alles erzählt ... über die Nachtigall, die Geld für ihr Comeback gebraucht hat und so schlau war, ihren Bruder mit Wolfi zu erpressen. Günter hätte ihn nie hergegeben. Er hat ihn geliebt.«
    Jorgo nickte. »Ja, Günter hat Wolfi geliebt, und deswegen hat er die ganze Firma und die ganze Familie ruiniert. Dennis hat mir die Geschichte erzählt ... ja, Günter hat alles für seine Schwester bezahlt, das war ihre Bedingung dafür, dass er Wolfi behalten konnte. Dennis hat Britta gehasst. Und plötzlich liegt sie tot auf dem Ausflugsdampfer. Und da hatte ich Angst ...«
    »Warst du oben im Büro?«
    Jorgo nickte wieder. »Dennis war so verzweifelt ... und so wütend auf seinen Vater und diese Frau. Es ist mir egal, ob er die beiden gekillt hat oder nicht. Vielleicht war das mit Günni wirklich ein Unfall, und dann ... ist er einfach durchgedreht und hat der Schlampe die Kehle durchgeschnitten ... Alles, wofür die Familie gearbeitet hat, ist zum Teufel. Und jetzt hat er sich umgebracht.«
    »Hast du ihn auf dem Boot gesehen? Du hättest ihn doch bestimmt erkannt, oder?«
    Jorgo schüttelte den Kopf. »Ich habe ihn nicht gesehen.«
    Ich trat meine Zigarette auf dem Boden aus und sagte: »Gib mir dein Handy, ich ruf die Polizei an.«
    »Ich hab es gestern irgendwo verloren. Du musst ins Büro gehen ...«
    »Okay, ich geh rauf.«
    »Ja«, sagte Jorgo. »Ich bleibe hier.« Er zog seine Jacke aus und breitete sie über Dennis Heibuchs
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