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Ausgeträllert (German Edition)

Ausgeträllert (German Edition)

Titel: Ausgeträllert (German Edition)
Autoren: Minck
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Gästen der größten Trauergemeinde stand, die ein Ruhrgebietskiez seit der Beerdigung eines Hells-Angels-Anführers anno 1978 je gesehen hatte. Starr vor Schreck beobachtete ich, wie sich die Schokolade über Ellis schwarzlilafarbenes, mit Silberfäden durchzogenes, Chiffonensemble verteilte. Ich betete darum, dass Elli, die ich vor knapp einem Jahr kennengelernt hatte, als ich noch als Taxifahrerin in der Nachtschicht unterwegs gewesen war, ihren Humor nicht verloren hatte. Ich gebe es zu, es war etwas viel verlangt, denn ich wusste durchaus, dass heiße Schokolade auf nackter Haut neben Erotik auch jede Menge Schmerz verursachen konnte.
    Die Granddame des Bochumer Puffs kreischte kurz auf, und plötzlich war es totenstill in der
Roten Laterne
, und alle starrten Wolfi und mich an. Und was da starrte, war die, für wenige Stunden gezähmte, in schwarze Maßanzüge und knappste Mini-Ensembles gewandete Crème de la crème des Bochumer Erotikgewerbes und seiner Außenstellen von Gelsenkirchen-Buer bis Lünen-Brambauer. Schließlich war das hier nicht irgendein Leichenschmaus. Das horizontale Gewerbe trug seinen König zu Grabe – und das mit allem Pomp, Duck und Cicumstances, die zu kriegen waren – jedenfalls bei
Heibuch&Söhne Cateringservice
.
    Der Schokoladenbrunnen am ansonsten eher konventionell geratenen Buffet war die Attraktion auf der Trauerfeier für Ladislaus, genannt ›Laddy der Große‹. Oberlude, Besitzer von mehreren Bordellhäusern auf dem Eierberg, wie die Bochumer ihren Puff liebevoll nannten. Dazu hatte Ladislaus im Großraum Ruhrpott noch diverse Spielhallen und Table-Dance-Schuppen kontrolliert. Wenn man auch nur die Hälfte von dem glauben wollte, was man sich über ihn erzählte, dann könnte sich Rupert Murdoch ein Beispiel an ihm nehmen.
    Elli fand den Löffel zwischen ihren Doppel-Ds, klaubte die Schokolade von ihrem Busen und leckte sich genüsslich die Finger ab. Dabei ließ sie mehrere Meter zartrosafarbener Zunge sehen und sagte: »Liebesgrüße aussem Jenseits – der Laddy wusste immer, wie er mich rumkriegt.« Und bevor Winnie Blaschke, bestangezogener Kriminalkommissar von Bochum, sich wehren konnte, hatte Elli ihm den Löffel in die Hand gedrückt. Winnie ließ sich nicht lumpen und nahm eine Kostprobe der Schokolade von Ellis Busen und sagte: »Extra-Sahne-Schmackofatz.«
    Alle fingen an zu lachen. Und das war auch gut so. Schließlich war Winnie aus Gründen der Deeskalation eingeladen worden. Er wohnte der Feier bei – sozusagen als lebender Beweis dafür, dass Laddy ohne Fremdeinwirkung aus dem Leben geschieden war - wenn man eine deutsche Eiche denn als Fremdeinwirkung ausschließen wollte. Die amtliche Version der Geschichte ging so: Ein Baum hatte sich Ladislaus auf einer Spritztour durch die Elfringhauser Schweiz dummerweise in den Weg gestellt – und noch dümmer war, dass Laddy und sein Porsche Cabrio ungefähr hundertachtzig Sachen drauf gehabt hatten, als die unfreiwillige Begegnung stattfand. Auf Ellis Wunsch hin hatte Winnie die Ermittlungen seiner Kollegen, sagen wir mal, beobachtend begleitet. Erst als er ihr versichert hatte, dass an Ladislaus’ Wagen nicht herummanipuliert worden war und auch der Eiche keine Schuld zukam, stand sie doch seit über hundert Jahren am selben Platz, konnte der Frieden auf dem Kiez erhalten bleiben. Bis dahin hatte die Gerüchteküche getobt – von fremden Zuhältern aus Gottweißwoher, die die Macht übernehmen wollten, war die Rede gewesen, und es hätte nicht viel gefehlt, und das Pulverfass wäre explodiert.
    Herr Matti, der schweigsame Finne, der seit drei Jahren in meinem Universum äußerst präsent seine Bahnen zog, hatte in seiner Funktion als Bestattungsunternehmer von Elli den Auftrag bekommen, diese Beerdigung zu managen. Da der ganze Kiez zusammengelegt hatte, lautete das Motto: Geld spielt keine Rolle, Hauptsache der Ladislaus sieht in seinem Sarg besser aus als in seinem Auto. Und bis jetzt war ja auch alles gelungen und zur vollsten Zufriedenheit aller Beteiligten vonstatten gegangen. Mattis Kunstfertigkeit in der Thanatopraxie hatte es möglich gemacht, dass Ladislaus nach dem Crash offen aufgebahrt werden konnte und sein Anblick niemanden gegraust hatte. Elli war besonders beeindruckt, wie Matti es geschafft hatte, das Porschelenkrad so in Laddys Hände zu legen, dass er aussah, als würde er im nächsten Moment den nächsten Gang einlegen und mitsamt seinem Sarg davonbrausen. Alle Abschiednehmenden, die an
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