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Auserwaehlt

Auserwaehlt

Titel: Auserwaehlt
Autoren: Silke Nowak
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Er
erschrak, als es laut hupte. Doch sonst blieb alles ruhig.
„Okay, Zugriff“, hörte Reichenbaum den Einsatzleiter. Jemand sagte ihm, er
solle zur Seite treten. Die Männer stürmten die Wohnung.
Durch den Stöpsel in seinem Ohr konnte er die Zurufe hören, über die sich die
Männer verständigten. Nach nur wenigen Sekunden sagte jemand: „Alles gesichert.“
Dann brüllte jemand: „Sofort einen Arzt!“
    Reichenbaum trat in die Wohnung ein. Er ging in das Zimmer,
in dem sich alle versammelt hatten, und sah Clara leblos an einem Tisch sitzen.
Ihr Oberkörper und ihre Beine waren mit Folie an den Stuhl fixiert, ihr Kopf
hing schlaff herab. Ein Auge war stark aufgequollen. Blut lief ihr über die
Wange und tropfte auf den Boden.
Die Männer vom SEK starrten die junge Frau an.
Jemand schob ihn beiseite. Johannes Teufel drängte herein.
Er kniete sich neben Clara.
Er fühlte ihren Puls.
Er hielt seine Hand vor ihre Nase.
„Clara! Clara!“ brüllte er. Niemand bewegte sich.
„Sie hat Puls!“, schrie Teufel und der Raum geriet wieder in Bewegung. Jemand
schnitt die Folie durch. Jemand entfernte die Fesseln an ihren Handgelenken.
Die schwarzen Männer machten Platz für zwei Sanitäter, die mit der Bahre
hereinkamen.
„Sie braucht sofort einen Betablocker, Atemmaske ...“ Teufel lief den Sanitätern
hinterher, die Clara durch den schmalen Flur abtransportierten.
„Thilmann?“
Reichenbaum drehte sich um. Er stand in einer schmalen Küche, er sah zwei alte
Herdplatten, an der Wand standen ein Plastiktisch und zwei Stühle. Rebecca saß
auf einem Stuhl. Ihre dunklen Augen starrten ihn seltsam an. Reichenbaum hatte
sie noch nie so gesehen. Clara und Rebecca waren befreundet und irgendwann
musste jeder Kriminalbeamte damit zurechtkommen, einen guten Freund und
Kollegen zu verlieren. Er konnte ihr das nicht abnehmen.
„Sie hat noch Puls“, sagte er und verscheuchte den Gedanken an Claras Tod.
Rebecca nickte. Sie war kreidebleich. Sie deutete auf ein Blatt Papier, das auf
dem Küchentisch lag.
„Er hat uns eine Nachricht hinterlassen, Thilmann.“
    Reichenbaum hielt nicht viel von Kalligrafie, doch als er
das Gekritzel sah, wusste er, dass der Albtraum noch nicht zu Ende war. In
seltsamen Bögen und langen Strichen zog sich die Schrift über das Papier.
„Ein Akt des Größenwahns“, kommentiert Reichenbaum die Zeilen, als er sie drei
Stunden später im Landeskriminalamt an die Wand projizierte. Das Sondereinsatzkommando
„Steinfisch“ war auf 140 Mann angewachsen. 25 von ihnen starrten fassungslos
auf die Nachricht:



51
    Er drückte die Klingel
und wartete, bis jemand am Fenster erschien. Ein grün gekleideter Mann zog seinen
Mundschutz herunter und blickte ihn gleichgültig an.
„Ich möchte zu Clara Schwarzenbach“, sagte er. „Ich bin“, er bückte sich, um
näher an der Sprechanlage zu sein: „Ich bin ein Freund.“
Der Mann sah ihn misstrauisch an. Er hatte die Anweisung, niemanden zu der Frau
vorzulassen.
„Es tut mir leid“, sagte er und schüttelte den Kopf. Dann fügte er hinzu, als
habe er plötzlich Mitleid mit dem verzweifelten Besucher bekommen: „Sie darf
noch niemand empfangen.“
Ein zweites Gesicht erschien hinter der Scheibe ein Gesicht, vor dem man intuitiv
zurückwich. Die blauen Augen fixierten ihn.
„Der Mann sagt, er sei ihr Freund“, erklärte der Pfleger.
„Das ist in Ordnung.“ Johannes Teufel nickte. „Er kann sie sehen.“
Die Tür summte. David Mayer betrat die Intensivstation. Schweigend folgte er
dem Gerichtsmediziner den Gang hinunter. Ein Polizeibeamter saß vor einer
geöffneten Tür und nickte ihnen flüchtig zu, als sie eintraten. Clara lag mit
erhöhtem Oberkörper in einem Bett, an dessen Kopfende sich mehrere medizinische
Geräte befanden, auf dem rechten Monitor zeichnete sich die Herzlinie in
gleichförmigen Zacken ab. Sie schien zu schlafen.
„Wird sie es schaffen?“, fragte er.
„Clara ist außer Lebensgefahr“, nickte Teufel und sah ihn an. „Aber wir wissen
nicht, ob das Kind Schaden genommen hat.“
Er ließ David nicht aus den Augen.
„Bisher schlägt das Herz noch normal, aber ...“
David schien nichts zu wissen.
„Sie ist schwanger“, fügte Teufel hinzu.
„Zwölfte Woche“, sagte er, nachdem David Mayer noch immer nicht reagierte.
„Schwanger?“ Mayer sah verwirrt aus. „Zwölfte Woche?“
Der Kriminalhauptkommissar setzte sich auf den Stuhl neben das Bett. Claras
Hand steckte in einem Gipsverband, nur die Fingerspitzen schauten
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