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Auserwaehlt

Auserwaehlt

Titel: Auserwaehlt
Autoren: Silke Nowak
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Ich sag dir, wann es links abgeht.“ Reichenbaum
kannte die Straßen Berlins in und auswendig, er brauchte kein Navi.
Rebecca fuhr los. Die Menschenmenge teilte sich. In dem erleuchteten Schaufenster
eines Antiquariats stand ein Mann. Er starrte ihnen hinterher.
„Hast du sonst noch was gehört? Irgendein Geräusch oder so?“ Teufel hatte wie
selbstverständlich hinten Platz genommen.
Reichenbaum schüttelte den Kopf. Er hatte noch immer den Klang von Claras
Stimme im Ohr. Sie hatte versucht, deutlich zu sprechen, doch die Panik war
unüberhörbar gewesen. Er würde Tage brauchen, bis er diese Stimme wieder
vergessen würde. Wenn sie tot war, würde es wesentlich länger dauern.
Er starrte in das gelbliche Licht, das wie Nebel über der Kreuzung lag und
versuchte, nicht an Hagen zu denken. Nicht an das Auge, in dem die Spritze
gesteckt hatte.
Um 19 Uhr 34 hatte Herr Neumann aus der Kleingartenkolonie „Am Stadtpark“
zwischen der Waghäuseler Straße und dem Volkspark Wilmersdorf bei der Polizei
angerufen: Er habe seltsame Schreie aus der Nachbarlaube gehört, wie von einem
Tier, das sich in Lebensgefahr befinde. Die beiden Streifenpolizisten, die um
19 Uhr 56 nach dem Rechten sahen, brachen die Tür zur Laube auf, nachdem sie
Spuren eines Kampfes auf dem Gartenbeet entdeckt hatten. Das Blut auf dem
Teppich, der über einer Bodenluke lag, war noch frisch. Als die Polizisten die
Luke öffneten, machten sie die grausige Entdeckung: Der zwei mal drei Meter
kleine Raum war mit brauner Farbe gestrichen. Eine Neonröhre flackerte. Ein
Holztisch und zwei Stühle waren alles, das darin Platz gefunden hatte. Der Raum
hatte Ähnlichkeit mit dem Verhörraum des Landeskriminalamts 1.
Hagen war gefesselt und geknebelt auf dem Boden gelegen, sein Auge war ...
Reichenbaum versuchte, das Bild zu verscheuchen. Für Hagen kam jede Hilfe zu
spät.
Reichenbaum lehnte den Kopf an die Autoscheibe. Als Besitzer des Schrebergartens
war ein Herr Rudolf Berger eingetragen gewesen, der vor zwei Jahren in einem
Pflegeheim in Wilmersdorf gestorben war. Berger. Nicht Kirchner.
Reichenbaum schlug mit der Stirn gegen die Scheibe. Kirchner ... Er konnte sich
an Margots Sekretär nur vage erinnern, es war ein netter, höflicher Mann, doch
das Gesicht dazu fehlte ihm. Was war mit ihm? Clara konnte alles gemeint haben:
Kirchner ist ... auch hier, Kirchner ist ... auch tot, Kirchner ist ... unser
Mann?
War das möglich? Margots Sekretär? Verzweifelt suchte er nach einem Gesicht.
War dieser Kirchner ihr Mann? Wenn er heute noch einen Täter präsentieren
konnte, käme das einer Erlösung gleich. Der Albtraum musste ein Ende haben.
Einerseits. Andererseits verdrängte er den Gedanken, dass Clara dann in
Lebensgefahr war. Dass sie vielleicht längst ...
„Links!“ In der Götzstraße standen bereits die Streifenwagen. Sie hatten alle
in einer Reihe mit gebührend Abstand zum Zugriffsort geparkt. Ein Krankenwagen
stand auch da. Sie fuhren weiter.
„Rechts“, flüstere er, als sie in die Zielstraße einbogen. Der Kleinbus vom SEK
stand in einer Einfahrt. Sonst konnte er nichts erkennen. Die Männer waren
wahrscheinlich schon um das Haus herum postiert.
„Ihr bleibt hier“, sagte er zu seiner Assistentin und dem Gerichtsmediziner.
„Schaltet den Funk auf leise.“
Reichenbaum stieg aus. Die Straße war wie ausgestorben. Er ging auf den
Wohnblock zu und sah einen Mann aus dem Hauseingang kommen. Die beiden Männer
begrüßten sich. Reichenbaum versuchte dem Einsatzleiter des SEK in wenigen
Sätzen zu erklären, dass der Einsatz nur eine Vorsichtsmaßnahme war. Der Mann
nickte, seine Gesichtszüge waren angespannt. Er deutete auf einen unscheinbaren
Kastenwagen, der am Straßenrand parkte.
„Der Wagen ist auf Leonhard Kirchner zugelassen. Das Blut darin ist noch
frisch“, sagte er, während er Reichenbaum die Sprechgarnitur anlegte.
„Okay, ich klingle jetzt.“ Reichenbaum sprach in das Mikrofon.
„Ich klingele noch einmal“, sagte er. Eine kleine Lampe brannte über dem
Eingang. Der Eingangsbereich war blau gestrichen.
Entweder war niemand in der Wohnung oder ...
„Klingeln Sie an der Wohnungstür, dritte Etage“, hörte er die Anweisung. Jemand
öffnete die Eingangstür von innen.
„Okay, dritte Etage“, wiederholte er. Im Flur standen zwei schwarze Gestalten.
Er nahm die schmale Treppe nach oben, auch hier waren die Männer vom SEK
bereits postiert.
„Ich klingele jetzt an der Wohnungstür“, sagte er und drückte bei Kirchner.
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