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Auserwaehlt

Auserwaehlt

Titel: Auserwaehlt
Autoren: Silke Nowak
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Und der Stein bei Stella, wieso hast du
das getan? Hast du sie geliebt?“
„Geliebt?“ stieß Leonhard hervor. „Diese Hure?“
„Ihr kommt Euch alle ganz wichtig vor, stimmt's?“ Er fixierte sie. „Ich hab
mich bepisst vor Lachen, wenn ihr Eure Theorien vorgetragen habt! Ja, deshalb
habe ich das getan, damit ihr was zum Spielen habt! Ihr mit Eurem System, das
ist doch lächerlich! Ich töte, wie es mir passt. Ich bin frei, verstehst du
das?“
Plötzlich begann er, stark zu schwitzen.
„Sag mal, wie hast du das eigentlich gemacht mit den E-Mails vom Internetcafé?“
Clara versuchte, an seinen Stolz zu rühren. „Die Bedienung vom Oberholz sagte
doch, es seien nur drei Leute dagewesen.“
„Clara, Clara.“ Er schüttelte den Kopf. „Sie sagte, sie könne sich nur an drei
Leute erinnern!“
„Sie hat mich nicht bemerkt.“ Er lachte, als könne er es selbst nicht glauben.
„Diese Schlampe hat mich einfach nicht bemerkt.“
„Sie hat mich nicht bemerkt“, wiederholte er. Sein Lachen verstummte. Sein
T-Shirt war jetzt nass, so stark schwitzte er.
„Ich weiß, wie du dich fühlst, ich ...“, begann Clara wieder.
„Sei still!“, schrie er. Dann holte er aus.
Clara war so überrascht, dass sie den Schmerz zuerst nicht fühlte. Noch nie
hatte ihr jemand ins Gesicht geschlagen. Dann spürte sie, wie ihr Auge zu tränen
begann. Die Überraschung wich, doch mehr noch als der Schmerz verzerrte die
Enttäuschung ihre Züge. Aus unerfindlichen Gründen hatte sie angenommen,
Leonhard wäre zu so etwas nicht fähig. Nicht bei ihr.
Ihr Handy klingelte wieder.
„Na endlich.“ Er nahm das Handy und stand auf. „Hier hat jemand eine Botschaft
für dich, Herzchen. Aber wenn du einen Ton sagst ...“
„Mach ich dich auf der Stelle kalt!“, flüsterte er in ihr Ohr.
Claras Herz begann zu rasen.
Er hielt ihr das Handy direkt ans Ohr und drückte auf Empfang.
„Hallo?“ räusperte sich Clara.
„Clara, wo bist du?“ Es war Reichenbaum. „Wir haben die Leiche von Hagen
gefunden und da war eine Nachricht am Tatort, dass du die nächste ...“
Clara sah Leonhard ins Gesicht. Er lächelte.
„Dass du die nächste seist, wenn wir auch nur einen Fehler machen ...“
Er lächelte.
„Er hat sein System geändert, Clara, wir müssen sofort ...“
Reichenbaum redete weiter, doch Clara hörte kaum mehr zu.
Sie sah Leonhard ins Gesicht und verstand, was sie längst wusste.
Sie konnte nichts richtig machen. Alles war falsch.
„SOS“, schrie Clara. „Kirchner ist ...“, konnte sie noch hinzufügen, bevor
Leonhard ihr das Handy wegzog. Etwas krachte in ihrem Kopf.
„Clara?“, fragte Reichenbaum, als Clara verstummte.
    50
    Es war gespenstisch still. Nachdem der Streifenwagen den
Alarmton ausgeschaltet hatte, war die Straße stiller als sonst. Nur das
Blaulicht leuchtete noch. Rhythmisch erhellte es die Fassaden der Häuser und
Gesichter der Schaulustigen. Eine Frau rauchte. Ein Mann telefonierte. Beide
starrten sie auf den Hauseingang, vor dem ein paar Polizisten in Uniform
standen. Bisher war noch niemand abgeführt worden, keine Verletzten, keine
Toten, niemand mit einer Decke über dem Kopf. Die Leute hielten ihre Handys
bereit, jemand hatte eine Kamera.
Auch Frau Kiontke von der dritten Etage stand ängstlich im Flur und lugte nach
oben. Etwas war mit Frau Schwarzenbach passiert. Sie hatte schon immer gewusst,
dass eines Tages etwas passieren würde.
„Was ist?“ Sie standen in Claras Wohnzimmer. Hauptkommissar Reichenbaum starrte
apathisch auf sein Handy.
„Was hat sie gesagt?“, schrie Johannes Teufel abermals.
„Thilmann!“ Auch Rebeccas Stimme klang alarmiert. Sie fuhr sich durch die
Haare. Sie verloren noch alle die Nerven.
„Kirchner ist ...“, stammelte Reichenbaum, doch plötzlich war er sich nicht
mehr sicher. Hatte sie das wirklich gesagt?
„Kirchner?“ Rebeccas Augen bewegten sich ruckartig. „Leonhard Kirchner, meint
sie den vielleicht?“
„Leonhard Kirchner?“ Reichenbaum klang verwirrt.
„Margots Sekretär?“ Das war Teufel.
„Wir brauchen die Adresse von Leonhard Kirchner“, sprach Rebecca bereits in das
Funkgerät.
„Nein. Sofort!“ Jetzt brüllte auch sie.
„Wir fahren da hin“, nickte Reichenbaum.
„SEK?“ Rebecca sah ihn an. Sie hielt das Funkgerät noch immer am Ohr.
Für einen Moment schloss Reichenbaum die Augen. Dann nickte er wieder. Hagens
Tod rechtfertigte alles. Auch einen Fehlalarm.
    „Fahr den Mehringdamm hoch, dann den Tempelhofer Damm
runter. Immer gerade aus.
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