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Aus reiner Notwehr

Aus reiner Notwehr

Titel: Aus reiner Notwehr
Autoren: Karen Young
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Wände, als sich ein Rettungsfahrzeug dem Aufnahmetor des St. Luke Hospital näherte.
    “Dr. Madison, bitte nach Eins. Dr. Madison, bitte nach Eins.”
    Oh, Mist.
Kate senkte den Kopf und massierte sich den Nasenrücken. Dann verdrängte sie ihre innere Unruhe und begab sich zur Schwesternstation.
    “Was gibt’s, Ricky?”
    Ricky Hall steuerte alle Aufrufe für die Notaufnahme mittels einer komplizierten Telefonanlage in der Rezeption. Mit ihren sinnlichen Augen, ihrer cremefarbenen Haut und ihrer Mähne wilder dunkler Locken schien Ricky eher geeignet, exklusive Kosmetika zu verkaufen, aber niemals hatte Kate sie auch nur mit der Wimper zucken sehen angesichts der schlimmen Fälle, die in die Unfallchirurgie eingeliefert wurden. “Tut mir leid, Dr. Madison, ich weiß, Sie haben heute Abend aber auch keine Minute Ruhe, nur …”
    “Schon okay. Ich werd’s überleben.”
    “Ehekrach. Mann lebt von Frau getrennt, verprügelt sie. Mehrfache Quetschungen, Nasenbluten, ausgerenkte Schulter. Das Übliche.”
    Das Übliche. Kate fasste sich an den Magen. “Jake ist draußen wegen des Verkehrsunfalls, nicht wahr?”
    “Ja, Doktor. Muss jeden Augenblick mit dem Rettungshubschrauber eintreffen.”
    “Okay, ich übernehme das hier. Schauen Sie mal, ob Sie Eric auftreiben können; er soll Jake assistieren. Das Schädeltrauma sieht nicht gut aus.”
    “Wird gemacht.”
    Kate schlüpfte rasch in die Damentoilette. Nachdem Sie die Kabine verlassen hatte, wusch sie sich die Hände und verbrachte dann fünfzehn Sekunden damit, ihr Spiegelbild anzustarren. Diese Geschichten von Frauen, die von brutalen Männern tyrannisiert und fast bis zur Unkenntlichkeit verprügelt wurden, gingen ihr schrecklich an die Nieren. Es erstaunte sie, dass sie immer noch nicht gelernt hatte, sich gegen bestimmte Dinge zu wappnen, die ihr Beruf mit sich brachte. Als Ärztin würde sie immer wieder mit misshandelten Frauen konfrontiert werden; in der Unfallchirurgie landeten sie geradezu, als kämen sie durch eine Drehtür. Sie holte tief Luft und begab sich zur Aufnahme.
    “Kelly Mareno hat Bereitschaft, falls Sie sie brauchen sollten”, sagte Ricky, als Kate ankam.
    “Ist der Verkehrsunfall von Jake schon da?”, wollte Kate wissen.
    Ricky machte eine bejahende Kopfbewegung in Richtung auf eine gerade besetzte Behandlungskabine, wo ein Team aus Ärzten und Krankenschwestern dabei war, einen blutenden Mann zu versorgen. “In 6A hat Dr. Grissom alles unter Kontrolle.”
    “Gut.” Kate betrat die Kabine und schaute einen Moment zu. Jake Grissom untersuchte gerade den Schädelbereich, mit dem der Patient gegen die Frontscheibe geschleudert war. Er agierte mit sorgfältigen und methodischen Bewegungen, unbeeindruckt von der Aufgeregtheit der anderen, und Kate ging weiter.
    Der Personalausschuss stand vor der Entscheidung, wer von ihnen beiden die ausgeschriebene Oberarztstelle erhalten sollte. Kate hatte sich seelisch auf die Beförderung eingestellt, als das Gremium in der vorigen Woche zusammengekommen war, doch die Entscheidung war vertagt worden. Erst in einem weiteren Monat würde eine neue Sitzung anberaumt werden. Die Warterei an sich war schon schwierig genug. Noch schwieriger war es, die Entscheidung mit stoischem Gleichmut hinzunehmen. Kate wollte den Posten dringender als Jake, der ihre alles verzehrende Hingabe an ihren Beruf nicht teilte. Er konnte den Stachel der Ablehnung eher verschmerzen als sie. Und für sie bedeutete die Beförderung mehr als nur eine Sprosse auf der Leiter nach oben; seit ihr Privatleben ein Scherbenhaufen war, lebte sie nur noch für ihre Karriere.
    “Alles in Ordnung, Doktor?”
    Kate zwang sich zu einem Lächeln. “Ja, alles okay.” Sie warf einen Blick auf die Wanduhr über Rickys Kopf. “Es war eine lange Nacht.”
    “Wem sagen Sie das.”
    Beide fuhren herum, als die Doppeltür aufflog und zwei Rettungssanitäter eine fahrbare Krankentrage hereinschoben. Pete Renfroe, ein erfahrener Spezialist für Unfallverletzungen, hastete neben ihr her und hielt den Behälter mit der IV-Lösung. Sein Kollege manövrierte die Trage, auf der eine Patientin lag. Ihr bleiches Gesicht war auf groteske Weise verunstaltet durch eine hässliche Beule auf der rechten Wange, ein zugeschwollenes Auge und eine aufgequollene Lippe, aus der Blut sickerte. Eine verängstigt aussehende Frau folgte und hielt ein kleines Mädchen an der Hand. Kate vermutete, dass es sich um eine Verwandte oder Nachbarin handelte. Das Gesicht
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