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Aus der Hölle zurück

Aus der Hölle zurück

Titel: Aus der Hölle zurück
Autoren: Tadeusz Sobolewicz
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Einwohner waren Frauen. Das war kein Wunder, denn alle wehrfähigen Deutschen waren eingezogen. Die Bayern hatten nicht viel zu essen, weil das Hausvieh schon früher beschlagnahmt worden war. Einige Kühe und etwas Federvieh ermöglichten es ihnen, auch uns zu helfen. Wir bekamen jeden Tag Milch, Brot und manchmal ein paar Eier. Langsam gewöhnten wir uns an die veränderte Ernährung. Endlich konnten wir uns ausschlafen – nicht nur nachts, sondern auch tagsüber. Die entsetzliche Erschöpfung des Evakuierungsmarsches fiel von uns ab. Ich fühlte mich dann etwas besser, doch wurde ich von Husten gequält, und es schien mir, daß ich Fieber hatte. Die zäh dahinfließende Zeit füllten wir mit kleinen Handreichungen und Hilfsarbeiten auf dem Hof »unserer« Bayern aus. Sowohl sie als auch wir warteten darauf, daß die Umgebung von den Amerikanern besetzt werde.
    Die nächsten zwei Tage und Nächte hindurch vernahmen wir unablässig – mit kurzen Unterbrechungen – Kanonendonner. Von der Hauptchaussee her, von der wir geflüchtet waren, hallten der Lärm und das Gedröhn der vorbeiziehenden Kraftfahrzeugkolonnen zu uns herüber. Den fünften Tag schon verbargen wir uns in dem kleinen Dörfchen Muttering. Topographisch war es für uns sehr günstig gelegen. Von der kleinen Anhöhe aus, auf der sich die Siedlung erstreckte, hatten wir einen ziemlich guten Ausblick auf alles, was auf der Chaussee vor sich ging. Wir fühlten uns verhältnismäßig sicher, und die durch Zufall erbeutete Maschinenpistole verstärkte dieses Sicherheitsgefühl. Im Falle eines Falles würde sie unsere letzte Rettung sein.
    Den Bayern war jedoch eine gewisse Ungeduld und Beunruhigung anzumerken. Unser Aufenthalt zog sich zu sehr in die Länge, und die Lage klärte sich nicht. Wir überlegten, ob wir nicht in ein anderes Versteck überwechseln sollten, aber nachdem wir uns in der Nachbarsiedlung umgesehen hatten, kehrten wir nach Muttering zurück. Es war abseits gelegen und schien trotz alledem der sicherste Zufluchtsort für uns zu sein.
    Am nächsten Morgen hörten wir von der Chaussee her das charakteristische Geräusch von Schützenpanzerwagen und Panzern. Von unserem Beobachtungspunkt auf dem Dach der Scheune aus erblickten wir in der Ferne vorrollende Panzer mit fünfzackigen weißen Sternen. Es gab keinen Zweifel – das waren amerikanische Panzer.
    Ich konnte es nicht fassen, ich konnte es einfach nicht glauben, daß nun so nahe, daß vor meinen eigenen Augen nun diejenigen heranzogen, die uns die Freiheit bringen sollten! Mir rannen die Tränen über die Backen.
    In diesem Augenblick rief der stets wachsame und gewitzte Zbyszek: »He Jungs, versteckt euch! SS !« Tatsächlich, auf dem schmalen Feldweg kamen zwei SS -Leute auf einem Motorrad direkt auf unsere Siedlung zugefahren. Wahrscheinlich beabsichtigten sie, sich vor den Amerikanern zu verstecken. Henek riß die Maschinenpistole an sich und lief – zwischen den Gebäuden Deckung suchend – ihnen entgegen. Zbyszek brüllte hinter ihm her: »Was machst du, du Idiot! Henek, komm zurück!« Aber es war schon zu spät.
    Hinter einer Hausecke verloren wir ihn aus den Augen. Und dann überschlugen sich die Ereignisse. Eine Weile hörten wir noch den Lärm des näherkommenden Motorrades, dann urplötzlich eine MP - Salve und schließlich Stille. Nichts weiter, nur absolute Stille. Anstatt uns in der Scheune zu verstecken, liefen wir zu Henek.
    Er stand mitten auf dem Feldweg und trampelte wie irrsinnig auf den Leichen der erschossenen SS -Leute herum. Als wir auf ihn zutraten, hatte er entsetzlich flackernde, wahnsinnige Augen und stieß mit krächzender Stimme die übelsten Verwünschungen aus: »Ihr elenden Hurensöhne, ihr werdet mir für meine Sara und den kleinen Chaim zahlen! Für alle, die ihr in den Gaskammern erstickt habt, ihr elenden Lumpen! Ihr verfluchtes Gewürm! Ihr werdet es mir bezahlen! Bezahlen werdet ihr dafür!«
    Er mußte seinen Haß entladen. Und als ihm die Wut vergangen war, fing er plötzlich an zu weinen. Der große, kräftig gebaute, junge Mann heulte wie ein unglückliches, verzweifeltes, kleines Kind … Zbyszek, wie immer kaltblütig und nüchtern, wandte sich an Benek und mich: »Na Jungs, an die Arbeit! Schnappt euch Schaufeln und begrabt die Leichen. Ich kümmre mich um das Motorrad. Nehmt das mit! Für alle Fälle!« Mit diesen Worten zog er den Erschossenen die Revolver aus den Pistolentaschen und gab uns jedem eine. Die Maschinenpistole
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