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Aus der Hölle zurück

Aus der Hölle zurück

Titel: Aus der Hölle zurück
Autoren: Tadeusz Sobolewicz
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blöden Esel?! Henek!« wandte er sich an Freyer, »schnapp dir die Heugabel! Und ihr andern seid still. Achtung, wir gehen runter!« Sich vorsichtig umsehend, begann er als erster die Leiter hinabzusteigen.
    Unten hing eine Sense an der Scheunenwand. Zbyszek wies Latarus an, sie mitzunehmen, und bewaffnete sich selber mit einer Forke, die er am Strohhaufen entdeckte. Es war leicht zu erkennen, daß Zbyszek für alle Fälle an unsere Sicherheit dachte. In unserer Lage würden wir unsere Haut so teuer wie möglich verkaufen.
    Unser Anführer öffnete die Scheunentür einen Spaltbreit und spähte hinaus. Er winkte uns zu sich. Nacheinander betraten wir den Hof zwischen den Wirtschaftsgebäuden. Unter den herumstehenden Wagen und Karren standen unsere im Stich gelassene Feldküche und der Rollwagen, auf dem ein aufgerissener Sack mit einem Rest Zucker lag. Es war der Zucker, den sich die SS -Leute für ihren Tee aufgehoben hatten. Nun aber hatten sie es so eilig gehabt, daß sie ihn vergessen hatten.
    Die beiden französischen Häftlinge stürzten sich auf den Zucker und stopften ihn sich mit den Händen in den Mund. Vergeblich versuchten Zbyszek und Henek ihnen zu erklären, daß sie krank würden davon. Es nutzte gar nichts. Am Ende gaben wir es auf. Zu viert verließen wir das Gehöft. Wir hatten weder den Besitzer noch seine Frau oder die Familie zu sehen bekommen. Wahrscheinlich war das gut so, überlegte ich. Wir mußten so schnell wie möglich von der Straße wegkommen. Als wir um die Ecke des letzten Stalles bogen, blieben wir wie angewurzelt stehen. Auge in Auge stand uns ein kleiner, kümmriger SS -Mann mit Brille gegenüber und richtete seine Maschinenpistole auf uns. Er rief auf der Stelle: »Halt! Wohin? Hände hoch!« Wir waren vollkommen perplex und hoben gehorsam die Arme.
    Wieso war er hier plötzlich aufgetaucht? Es gab nur eine Möglichkeit: Er hatte Wache gestanden, und man hatte vergessen, ihn zurückzurufen. Oder hatte er selbst gewollt, daß man ihn vergaß? Der Teufel hat ihn hierhergeschickt – schoß es mir durch den Kopf. Wir waren reingefallen. Ausgerechnet uns hatte er im Wege stehen müssen. Die letzten Stunden des Krieges, und dieser da konnte uns gnadenlos erledigen. Aber nein! Wir waren vier, und noch dazu ehemalige »Auschwitzer«, zwei von uns mit Heugabeln.
    Zbyszek verlor keineswegs den Kopf: »Herr Posten, beruhigen Sie sich doch«, sagte er in seinem gebrochenen Deutsch. »Krieg zu Ende. Hitler kaputt! Alle weg, nach Hause. Amerikaner ganz dicht.« Wir unterstrichen die Worte Zbyszeks und nickten eifrig. Der Kleine riß vor Verwunderung den Mund auf und … ließ die Maschinenpistole sinken.
    »Ist das sicher? Lügt ihr auch nicht?« »Ganz sicher«, bestätigten wir eilfertig. Und dann geschah etwas, was niemand von uns erwartet hatte. Der komische kleine SS -Mann rief auf slowakisch: »Soll doch der Hitler zum Teufel gehen! Soll ihn der Schlag treffen!« und warf seine Waffe weit von sich. Auch sein Käppi mit dem Totenkopfabzeichen warf er wutentbrannt über den nächsten Zaun. Er meinte noch: »Ich war doch gut zu euch! Ihr könnt euch bestimmt daran erinnern, nicht wahr?«, machte eine Kehrtwendung und lief über das Feld zum nahegelegenen Wald. Das war so unglaublich, so unwahrscheinlich … Dieser Verräter hatte also dennoch einen Rest seines Gewissens bewahrt!
    Jetzt stand uns nichts mehr im Wege. Die Flucht ging weiter. »Ich war doch gut zu euch«, wiederholte ich die Worte des kleinen SS - Mannes. Ach zum Teufel – so ein Hurensohn!
    Henek sprang über den Zaun, und während er die Maschinenpistole aufhob, sagte er: »Das war einer von den nicht ganz so Gefährlichen, aber eine Zeitlang war er am Ende der Kolonne. Ach, ich würde ihm zu gerne eine Salve hinterherjagen.« Dabei richtete er den Lauf in Richtung des kleinen Ausreißers. Zbyszek unterbrach ihn: »Mach keine Dummheiten! Er fällt sowieso früher oder später in unsere Hände. Und mit dem Geknatter machst du viel zuviel Lärm. Nimm die Knarre mit. Gehen wir!« »Woher kannst du mit der Waffe umgehen?« fragte ich Henek. »Ich war schließlich beim Militär«, gab er zurück. »Das ist gut«, atmete ich auf. »Wir werden unsere Haut teuer verkaufen. Wenn sich eine Gelegenheit findet, bringst du’s mir bei. Einverstanden? Ich weiß nämlich nur, wie man mit dem Revolver umgeht.« »Seid jetzt still!« unterbrach uns Zbyszek. »Wir müssen von der Straße weg und uns irgendwo verstecken. Mit unseren
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