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Aus der Hölle zurück

Aus der Hölle zurück

Titel: Aus der Hölle zurück
Autoren: Tadeusz Sobolewicz
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weideten sie aus und steckten sie ebenfalls in den Kessel. Als sie gar war, gaben wir das Fleisch dem Russen, der sie gebracht hatte. Dafür bekamen wir beide eine Keule. Wie sie schmeckte, darüber machte ich mir überhaupt keine Gedanken. Ich knabberte die Knochen bis auf den letzten Rest ab. Als wir die zubereitete Mahlzeit verteilt hatten, lobten uns die Häftlinge, daß die Suppe so gut geschmeckt habe. Einem Hungrigen schmeckt eben alles.
    Im Laufe des Tages, irgendwann, als wir an den Feldküchen beschäftigt waren, kam uns auch der zweite »Betreuer«, unser Österreicher, abhanden. Er ließ sich nicht wieder blicken. Nun ja, die Ratten verließen eben das sinkende Schiff. Andererseits hatten die beiden »Köche« nie auf einen Häftling geschossen und waren wohl die einzigen im ganzen Wachkommando, deren Hände nicht mit Blut besudelt waren.
    Die erste »bessere« Mahlzeit nach vier Tagen verlieh zwar etwas Kraft und Zuversicht, konnte den Hunger der Häftlinge aber nicht stillen. Jeder von uns war sich darüber klar, daß uns der Hunger die letzten Kräfte für das weitere Durchhalten auf dieser verfluchten Marschroute rauben würde. Von keinem SS -Mann war zu erfahren, wohin sie uns trieben. Es war wahrscheinlich ein Marsch ins Ungewisse, ein zielloser Marsch – nur möglichst weit weg von den vorrückenden alliierten Truppen.
    Nach einer den ganzen Tag über währenden Rast brachen wir abends wieder auf – nach Süden. Wiederum begannen die SS -Leute, uns rücksichtslos anzutreiben, weil aus der Ferne Explosionen zu vernehmen waren. Diesmal keine Bombeneinschläge, sondern Artilleriefeuer. Der Kanonendonner war noch zu fern und zu leise, als daß man hätte unterscheiden können, was für Geschütze dort feuerten. Und wieder keimte einen Augenblick lang die Hoffnung auf, daß unsere Qual endlich überstanden sein werde. Aber es war nur ein Trug. Nach wie vor wurden wir weitergetrieben, und man erlaubte uns auch nicht die kürzeste Rast am Wegesrand.
    In der einbrechenden Dämmerung kamen wir an der mächtigen mittelalterlichen Burg Burghausen vorbei. An einer der Kehren der asphaltierten Chaussee blickte ich mich um. Die Kolonne war sichtlich zusammengeschmolzen. Sie war dichter aufgerückt. Das Ausreißen war jetzt schwieriger. Entsetzt wurde ich mir bewußt, daß von den ursprünglich etwa 1000 Häftlingen jetzt nur noch höchstens 300 in der Kolonne dahinzogen. Das war eine furchtbare Entdeckung. Ich hatte nicht vermutet, daß sie so viele Menschen erschlagen und ermordet hatten. Wie viele mochten geflohen sein? Es stimmte, die Schüsse vom Ende der Kolonne waren jetzt seltener zu hören, aber weiterhin kamen Menschen um.
    Wir marschierten schweigend dahin, versunken in trübe Gedanken. Sie wollten uns wahrscheinlich alle umbringen. Wann würden wir an der Reihe sein? Wann würden uns die Kräfte verlassen? Lustlos zogen wir die Feldküche weiter, denn jeder wußte, daß sowieso nichts mehr da war, was man darin hätte kochen können. Ich versuchte, die mich hartnäckig verfolgende Idee zu unterdrücken, daß ich sowieso im Straßengraben enden werde. Ich wollte keine Gedanken an das Schlimmste an mich heranlassen. Durchhalten! Durchhalten! – sagte ich mir immer wieder. Nur nicht den Mut verlieren! Jeden Augenblick konnte eine Schicksalswende nahen. Nach zwei, drei Stunden marschierte die Kolonne nicht mehr so gleichmäßig. Der Gleichschritt war weg. Jeder ging, so gut er konnte. Das Tempo war weitaus langsamer als in den ersten beiden Nächten.
    Es begann zu tagen. Die fünfte Nacht unseres Marsches ging zu Ende. Hinter der Ortschaft Tittmoning setzten die SS -Leute einen Aufenthalt in dicht am Weg gelegenen Wirtschaftsgebäuden an. Sie stellten ringsum Posten auf, und die Häftlinge wurden in einer großen Scheune sowie in angrenzenden Ställen untergebracht. Mit Hilfe einiger Gefährten stellten wir die Feldküche auf, um wie gewöhnlich nach dem nächtlichen Marsch das Wasser für den Tee zu kochen. Während dieser Vorbereitungen kam der Stellvertreter Plagges zu uns, der nach dem Verschwinden der Küchenposten die Aufsicht über die »Versorgung« der Kolonne übernommen hatte. Er versicherte sich, daß uns niemand belausche, und wandte sich dann an Zbyszek: »Na, Schluß mit der ganzen Schweinerei. Man hat es im Radio gemeldet: Hitler ist tot!«
    Diese Nachricht war tatsächlich eine Überraschung für uns, doch wir schwiegen, weil wir nicht wußten, worum es dem SS -Mann ging. Der fuhr
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