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Aus der Hölle zurück

Aus der Hölle zurück

Titel: Aus der Hölle zurück
Autoren: Tadeusz Sobolewicz
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›Schlafanzügen‹ können wir nicht so rumspazieren. Seht mal, wir versuchen es da«, dabei wies er auf mehrere fern hinter der Wiese erkennbare Gebäude.
    Hinter dem Gehöft, auf dem wir unsere letzten Stunden als Häftlinge verbracht hatten, erstreckte sich eine große, weit hingezogene Wiese. Irgendwo an der Seite weideten zwei Kühe darauf. Das Wiesengelände zog sich bis zu einem flachen Hügel hin, zu dem ein schmaler Feldweg führte. Mehrere Häuser und Wirtschaftsgebäude auf dem Hügel bildeten eine kleine Siedlung. Nach einem kurzen Lauf verfielen wir in ein rasches Marschtempo und begannen schließlich die Steigung des Hügels zu nehmen. Am Rande der Wiese, unter zwei alten Bäumen, erblickten wir ältere Bäuerinnen, die sich mit zwei Häftlingen unseres Regensburger Kommandos unterhielten. Sie gaben ihnen Milch zu trinken und verteilten Brot. Das war ein gutes Zeichen für uns. Im Dorf befand sich demnach keine SS . Die Bäuerinnen luden sowohl die ersten beiden als auch uns ein, in ihren Häusern zu übernachten. Sie verwünschten Hitler und den Krieg. Alle hatten jemanden aus der engsten Familie verloren. Eine der Frauen berichtete vom Tod ihrer drei Söhne an der Front. Sie war vollkommen gebrochen. Wir konnten ihren Schmerz nur zu gut verstehen, aber dasselbe hatten die Mütter anderer Völker erlitten, denen der Krieg die nächsten Angehörigen geraubt hatte.
    Aus dem Haus, auf das wir zugingen, kam ein alter Mann heraus. Es war der Mann der Bäuerin, die uns eingeladen hatte. Er verhielt sich sogleich hilfsbereit und gut zu uns. Er sagte uns, daß wir in ihrer Siedlung sicher sein würden. Falls SS -Streifen auftauchen sollten, müßten wir schnell verschwinden. Er habe gehört, daß die SS im Nachbardorf vor zwei Tagen mehrere Häftlinge, Flüchtlinge aus einem Lager, erschossen habe. Nun ja, sie hatten Pech gehabt. Aus dem Gespräch ging eindeutig hervor, daß uns immer noch Gefahr drohte. Die Umgegend lag momentan zwischen sich zurückziehenden deutschen Einheiten und den ihnen nachsetzenden amerikanischen Truppen. Die Situation in dem Gebiet, in dem wir uns befanden, war etwas unklar. Unter diesen Umständen beschlossen wir, Tag und Nacht abwechselnd Wache zu stehen. Henek unterwies uns alle darin, wie man mit der Maschinenpistole umging.
    Unsere Vorsicht erwies sich als vollauf berechtigt. Schon in der nächsten Nacht alarmierte uns der Wache haltende Zbyszek, daß in der Siedlung mehrere Motorräder aufgetaucht seien. Als wir die Scheune, in der wir schliefen, verlassen hatten, hörten wir in der Ferne laute Schreie und Flüche in deutscher Sprache. Sie schienen die Häuser zu durchsuchen. Wir flüchteten unverzüglich aufs freie Feld und verwischten die Spuren im Stroh. Wir beschlossen abzuwarten, bis sich die Lage geklärt hatte. Im Dunkel der Nacht gelang es uns, unbemerkt das Gehöft zu verlassen. Wir versteckten uns in den Furchen eines Feldes und schmiegten uns an den Boden. Das dauerte einige Zeit. Mein Herz schlug unruhig. All meine Gedanken waren darauf konzentriert, ob Henek von der Waffe werde Gebrauch machen müssen und ob sie auch das Feld absuchen würden. Das schien unwahrscheinlich zu sein. Schließlich vernahmen wir einige Maschinengewehrgarben und dann das Gedröhn der abfahrenden Motorräder.
    Nach längerer Zeit kehrten wir vorsichtig in unsere Scheune zurück. Die Bayern waren entsetzt. Auf der Suche nach Proviant hatte die SS -Streife in einem Stall am Rande der Siedlung zwei schlafende deutsche Deserteure entdeckt. Und in einem andern Stall waren sie auf zwei Häftlinge gestoßen, eben auf die beiden, denen wir auf der Wiese begegnet waren.
    Die SS hatte alle vier erschossen. Den Einwohnern der Siedlung war befohlen worden, die Leichen zu verscharren. Die Bayern, bei denen wir Zuflucht gefunden hatten, hatten erleichtert aufgeatmet, als sie sich überzeugen konnten, daß wir während der Anwesenheit der SS im Dorf »verschwunden« waren. Trotz ihrer Befürchtungen erlaubten sie uns, weiterhin bei ihnen bleiben zu dürfen.
    Wann würde das zu Ende gehen? Wann würden wir endlich wirklich frei sein? Es schien zwar, als sei der Krieg beendet, aber nach wie vor saßen Angst und Furcht tief in uns.
    Wir halfen den Bewohnern der Siedlung, die Erschossenen zu begraben. Wir kannten nicht einmal ihre Namen. Die beiden Häftlinge waren Polen gewesen, doch mehr wußten wir nicht.
    In der ganzen Siedlung gab es nur ein paar alte Männer und zwei Kriegsversehrte. Die meisten
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