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Aus dem Leben eines Taugenichts - Erzaehlungen

Aus dem Leben eines Taugenichts - Erzaehlungen

Titel: Aus dem Leben eines Taugenichts - Erzaehlungen
Autoren: Josef Freiherr von Eichendorff
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da es aber schon dunkel wurde, erkannte ich erst nach und nach alle die alten Gesichter wieder. Der
     alte Gärtner schlug die Pauken, die Prager Studenten in ihren Mänteln musizierten mitten darunter, neben ihnen fingerte der
     Portier wie toll auf seinem Fagott. Wie ich den so unverhofft erblickte, lief ich sogleich auf ihn zu und embrassierte ihn
     heftig. Darüber kam er ganz aus dem Konzept. «Nun wahrhaftig, und wenn der bis ans Ende der Welt reist, er ist und bleibt
     ein Narr!» rief er den Studenten zu und blies ganz wütend weiter.
    Unterdes war die schöne gnädige Frau vor dem Rumor heimlich entsprungen und flog wie ein aufgescheuchtes Reh über den Rasen
     tiefer in den Garten hinein. Ich sah es noch zur rechten Zeit und lief ihr eiligst nach. Die Musikanten merkten in ihrem Eifer
     nichts davon, sie meinten nachher: wir wären schon nach dem Schlosse aufgebrochen, und die ganze Bande setzte sich nun mit
     Musik und großem Getümmel gleichfalls dorthin auf den Marsch.
    Wir aber waren fast zu gleicher Zeit in einem Sommerhause angekommen, das am Abhange des Gartens stand, mit dem offenen Fenster
     nach dem weiten, tiefen Tale zu. Die Sonne war schon lange untergegangen hinter den Bergen, es schimmerte nur noch wie ein
     rötlicher Duft über dem warmen, verschallenden Abend, aus dem die Donau immer vernehmlicher heraufrauschte, je stiller es
     ringsum wurde. Ich sah unverwandt die schöne Gräfin an, die ganz erhitzt vom Laufen dicht vor mir stand, so daß ich ordentlich
     hören konnte, wie ihr das Herz schlug. Ich wußte nun aber gar nicht, was ich sprechen sollte vor Respekt, da ich auf einmal
     so allein mit ihr war. Endlich faßte ich ein Herz, nahm ihr kleines weißes Händchen – da zog sie mich schnell an sich und
     fiel mir um den Hals, und ich umschlang sie fest mit beiden Armen.
    Sie machte sich aber geschwind wieder los und legte sich ganz verwirrt in das Fenster, um ihre glühenden Wangen in der Abendluft
     abzukühlen. – «Ach», rief ich, «mir ist mein Herz recht zum Zerspringen, aber ich kann mir noch alles nicht recht denken,
     es ist mir alles noch wie ein Traum!» – «Mir auch», sagte die schöne gnädige Frau. «Als ich vergangenen Sommer», setzte sie
     nach einer Weile hinzu, «mit der Gräfin aus Rom kam und wir das Fräulein Flora glücklich gefunden hatten und mit zurückbrachten,
     von dir aber dort und hier nichts hörten – da dacht ich nicht, daß alles noch so kommen würde! Erst heut zu Mittag sprengte
     der Jockei, der gute, flinke Bursch, atemlos auf den Hof und brachte die Nachricht, daß du mit dem Postschiffe kämst.» – Dann
     lachte sie still in sich hinein. «Weißt du noch», sagte sie, «wie du mich damals auf dem Balkon zum letzten Male sahst? Das
     war gerade wie heute, auch so ein stiller Abend und Musik im Garten.» – «Wer ist denn eigentlich gestorben?» fragte ich hastig.
     – «Wer denn?» sagte die schöne Frau und sah mich erstaunt an. «Der Herr Gemahl von Euer Gnaden», erwiderte ich, «der damals
     mit auf dem Balkon stand.» – Sie wurde ganz rot. «Was hast du auch für Seltsamkeiten im Kopfe!» rief sie aus, «das war ja
     der Sohn von der Gräfin, der eben von seinen Reisen zurückkam, und es traf gerade auch meinen Geburtstag, da führte er mich
     auf den Balkon hinaus, damit ich auch ein Vivat bekäme. – Aber deshalb bist du wohl damals von hier fortgelaufen?» – «Ach
     Gott, freilich!» rief ich aus und schlug mit der Hand vor die Stirn. Sie aber schüttelte mit dem Köpfchen und lachte recht
     herzlich.
    Mir war so wohl, wie sie so fröhlich und vertraulich neben mir plauderte, ich hätte bis zum Morgen zuhören mögen. Ich war
     so recht seelenvergnügt und langte eine Handvoll Knackmandeln aus der Tasche, die ich noch aus Italien mitgebracht hatte.
     Sie nahm auch davon, und wir knackten nun und sahen zufrieden in die stille Gegend hinaus. –«Siehst du», sagte sie nach einem
     Weilchen wieder, «das weiße Schlößchen, das da drüben im Mondschein glänzt, das hat uns der Graf geschenkt, samt dem Garten
     und den Weinbergen, da werden wir wohnen. Er wußt es schon lange, daß wir einander gut sind, und ist dir sehr gewogen, denn
     hätt er dich nicht mitgehabt, als er das Fräulein aus der Pensionsanstalt entführte, so wären sie beide erwischt worden, ehe
     sie sich vorher noch mit der Gräfin versöhnten, und alles wäre anders gekommen.» – «Mein Gott, schönste gnädigste Gräfin»,
     rief ich aus, «ich
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