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Aus dem Leben eines Taugenichts - Erzaehlungen

Aus dem Leben eines Taugenichts - Erzaehlungen

Titel: Aus dem Leben eines Taugenichts - Erzaehlungen
Autoren: Josef Freiherr von Eichendorff
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einer
     großen, übereinandergelegten Butterschnitte, dann brachte er eine Flasche Wein zum Vorschein. «Will der Herr nicht auch einen
     Schluck?» – Ich tat einen tüchtigen Zug, mußte aber schnell wieder absetzen und das ganze Gesicht verziehen, denn er schmeckte
     wie Dreimännerwein. «Hiesiges Gewächs», sagte der Waldhornist, «aber der Herr hat sich in Italien den deutschen Geschmack
     verdorben.»
    Darauf kramte er eifrig in seinem Schubsack und zog endlich unter allerlei Plunder eine alte, zerfetzte Landkarte hervor,
     worauf noch der Kaiser in vollem Ornate zu sehen war, den Zepter in der rechten, den Reichsapfel in der linken Hand. Er breitete
     sie auf dem Boden behutsam auseinander, die andern rückten näher heran, und sie beratschlagten nun zusammen, was sie für eine
     Marschroute nehmen sollten.
    «Die Vakanz geht bald zu Ende», sagte der eine, «wir müssen uns gleich von Linz links abwenden, so kommen wir noch bei guter
     Zeit nach Prag.» «Nun wahrhaftig!» rief der Waldhornist, «wem willst du da was vorpfeifen? nichts als Wälder und Kohlenbauern,
     kein geläuterter Kunstgeschmack, keine vernünftige, freie Station!» – «Oh, Narrenspossen!» erwiderte der andere, «die Bauern
     sind mir gerade die liebsten, die wissen am besten, wo einen der Schuh drückt, und nehmens nicht so genau, wenn man manchmal
     eine falsche Note bläst.» – «Das macht, du hast kein point d'honneur», versetzte der Waldhornist, «odi profanum vulgus et
     arceo, sagt der Lateiner.» – «Nun, Kirchen aber muß es auf der Tour doch geben», meinte der dritte, «so kehren wir bei den
     Herren Pfarrern ein.» – «Gehorsamster Diener!» sagte der Waldhornist, «die geben kleines Geld und große Sermone, daß wir nicht
     so unnütz in der Welt herumschweifen, sondern uns besser auf die Wissenschaften applizieren sollen, besonders wenn sie in
     mir den künftigen Herrn Konfrater wittern. Nein, nein, Clericus clericum non decimat. Aber was gibt es denn da überhaupt für
     große Not? Die Herren Professoren sitzen auch noch im Karlsbade und halten selbst den Tag nicht so genau ein.» – «Ja, distinguendum
     est inter et inter», erwiderte der andere, «quod licet Jovi, non licet bovi!»
    Ich aber merkte nun, daß es Prager Studenten waren und bekam einen ordentlichen Respekt vor ihnen, besonders da ihnen das
     Latein nur so wie Wasser von dem Munde floß. – «Ist der Herr auch ein Studierter?» fragte mich darauf der Waldhornist. Ich
     erwiderte bescheiden, daß ich immer besondere Lust zum Studieren, aber kein Geld gehabt hätte. – «Das tut gar nichts», rief
     der Waldhornist, «wir haben auch weder Geld noch reiche Freundschaft. Aber ein gescheiter Kopf muß sich zu helfen wissen.
     Aurora musis amica, das heißt zu deutsch: mit vielem Frühstücken sollst du dir nicht die Zeit verderben. Aber wenn dann die
     Mittagsglocken von Turm zu Turm und von Berg zu Berg über die Stadt gehen und nun die Schüler auf einmal mit großem Geschrei
     aus dem alten, finstern Kollegium herausbrechen und im Sonnenscheine durch die Gassen schwärmen – da begeben wir uns bei den
     Kapuzinern zum Pater Küchenmeister und finden unseren gedeckten Tisch, und ist er auch nicht gedeckt, so steht doch für jeden
     ein voller Topf darauf, da fragen wir nicht viel danach und essen und perfektionieren uns dabei noch im Lateinischsprechen.
     Sieht der Herr, so studieren wir von einem Tage zum andern fort. Und wenn dann endlich die Vakanz kommt und die anderen fahren
     und reiten zu ihren Eltern fort, da wandern wir mit unseren Instrumenten unterm Mantel durch die Gassen zum Tore hinaus, und
     die ganze Welt steht uns offen.»
    Ich weiß nicht – wie er so erzählte – ging es mir recht durchs Herz, daß so gelehrte Leute so ganz verlassen sein sollten
     auf der Welt. Ich dachte dabei an mich, wie es mir eigentlich selber nicht anders ginge, und die Tränen traten mir in die
     Augen. Der Waldhornist sah mich groß an. «Das tut gar nichts», fuhr er wieder weiter fort, «ich möchte gar nicht so reisen:
     Pferde und Kaffee und frisch überzogene Betten und Nachtmützen und Stiefelknecht vorausbestellt. Das ist just das schönste,
     wenn wir so frühmorgens heraustreten und die Zugvögel hoch über uns fortziehen, daß wir gar nicht wissen, welcher Schornstein
     heut für uns raucht, und gar nicht voraussehen, was uns bis zum Abend noch für ein besonderes Glück begegnen kann.» – «Ja»,
     sagte der andere, «und wo wir
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