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Aus dem Leben eines Taugenichts - Erzaehlungen

Aus dem Leben eines Taugenichts - Erzaehlungen

Titel: Aus dem Leben eines Taugenichts - Erzaehlungen
Autoren: Josef Freiherr von Eichendorff
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Reisekoffer, alles durcheinander!» Sie drehte mich nach allen Seiten und konnte sich vor Lachen gar
     nicht zugute geben. Die schöne gnädige Frau war unterdes noch immer still und mochte gar nicht die Augen aufschlagen vor Scham
     und Verwirrung. Oft kam es mir vor, als zürnte sie heimlich über das viele Gerede und Spaßen. Endlich stürzten ihr plötzlich
     Tränen aus den Augen, und sie verbarg ihr Gesicht an der Brust der andern Dame. Diese sah sie erst erstaunt an und drückte
     sie dann herzlich an sich.
    Ich aber stand ganz verdutzt da. Denn je genauer ich die fremde Dame betrachtete, desto deutlicher erkannte ich sie, es war
     wahrhaftig niemand anders als – der junge Herr Maler Guido!
    Ich wußte gar nicht, was ich sagen sollte, und wollte soeben näher nachfragen, als Herr Leonhard zu ihr trat und heimlich
     mit ihr sprach. «Weiß er denn noch nicht?» hörte ich ihn fragen. Sie schüttelte mit dem Kopfe. Er besann sich darauf einen
     Augenblick. «Nein, nein», sagte er endlich, «er muß schnell alles erfahren, sonst entsteht nur neues Geplauder und Gewirre.»
    «Herr Einnehmer», wandte er sich nun zu mir, «wir haben jetzt nicht viel Zeit, aber tue mir den Gefallen und wundere dich
     hier in aller Geschwindigkeit aus, damit du nicht hinterher durch Fragen, Erstaunen und Kopfschütteln unter den Leuten alte
     Geschichten aufrührst und neue Erdichtungen und Vermutungen ausschüttelst.» – Er zog mich bei diesen Worten tiefer in das
     Gebüsch hinein, während das Fräulein mit der von der schönen gnädigen Frau weggelegten Reitgerte in der Luft focht und alle
     ihre Locken tief in das Gesichtchen schüttelte, durch die ich aber doch sehen konnte, daß sie bis an die Stirn rot wurde.
     – «Nun denn», sagte Herr Leonhard, «Fräulein Flora, die hier soeben tun will, als hörte und wußte sie von der ganzen Geschichte
     nichts, hatte in aller Geschwindigkeit ihr Herzchen mit jemand vertauscht. Darüber kommt ein andrer und bringt ihr mit Prologen,
     Trompeten und Pauken wiederum sein Herz dar und will ihr Herz dagegen. Ihr Herz ist aber schon bei jemand und jemandes Herz bei ihr, und der jemand will sein
     Herz nicht wieder haben und ihr Herz nicht wieder zurückgeben. Alle Welt schreit – aber du hast wohl noch keinen Roman gelesen?»
     Ich verneinte es. – «Nun, so hast du doch einen mitgespielt. Kurz: das war eine solche Konfusion mit den Herzen, daß der Jemand
     – das heißt ich – mich zuletzt selbst ins Mittel legen mußte. Ich schwang mich bei lauer Sommernacht auf mein Roß, hob das
     Fräulein als Maler Guido auf das andere, und so ging es fort nach Süden, um sie in einem meiner einsamen Schlösser in Italien
     zu verbergen, bis das Geschrei wegen der Herzen vorüber wäre. Unterwegs aber kam man uns auf die Spur, und von dem Balkon
     des welschen Wirtshauses, vor dem du so vortrefflich Wache schliefst, erblickte Flora plötzlich unsere Verfolger.»-«Also der
     bucklige Signor?» – «War ein Spion. Wir zogen uns daher heimlich in die Wälder und ließen dich auf dem vorbestellten Postkurse
     allein fortfahren. Das täuschte unsere Verfolger und zum Überfluß auch noch meine Leute auf dem Bergschloß, welche die verkleidete
     Flora stündlich erwarteten und mit mehr Diensteifer als Scharfsinn dich für das Fräulein hielten. Selbst hier auf dem Schlosse
     glaubte man, daß Flora auf dem Felsen wohne, man erkundigte sich, man schrieb an sie – hast du nicht ein Briefchen erhalten?»
     – Bei diesen Worten fuhr ich blitzschnell mit dem Zettel aus der Tasche. – «Also dieser Brief?» «Ist an mich», sagte Fräulein
     Flora, die bisher auf unsere Rede gar nicht achtzugeben schien, riß mir den Zettel rasch aus der Hand, überlas ihn und steckte
     ihn dann in den Busen. – «Und nun», sagte Herr Leonhard, «müssen wir schnell in das Schloß, da wartet schon alles auf uns.
     Also zum Schluß, wie sichs von selbst versteht und einem wohlerzogenen Romane gebührt: Entdeckung, Reue, Versöhnung, wir sind
     alle wieder lustig beisammen, und übermorgen ist Hochzeit!»
    Da er noch so sprach, erhob sich plötzlich in dem Gebüsche ein rasender Spektakel von Pauken und Trompeten, Hörnern und Posaunen;
     Böller wurden dazwischen gelöst und Vivat gerufen, die kleinen Mädchen tanzten von neuem, und aus allen Sträuchern kam ein
     Kopf über dem andern hervor, als wenn sie aus der Erde wüchsen. Ich sprang in dem Geschwirre und Geschleife ellenhoch von
     einer Seite zur andern,
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