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Aus dem Leben eines Lohnschreibers

Titel: Aus dem Leben eines Lohnschreibers
Autoren: Joseph von Westphalen
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Hand und sagte: »ebay«. Und aus ihrem chinesischen Mund klangen die Silben wie eine uralte konfuzianische Lebensweisheit.
    Dann wurden Taxis gerufen. Nicht genügend, oder es fanden nicht alle das Ziel. Gedränge an den vorfahrenden Autos. Auch das ein Vorteil der Peripherie: In der Ödnis rückt man zusammen. Ich stieg zusammen mit der Chinesin in ein freies Taxi. Leider fragten der dritte Bürgermeister, der Präsident des Golfclubs und der Krawattendirektor, ob sie mitfahren könnten. Nur der Inhabersproß fand keinen Platz mehr. »Sie heißen Vergil, stimmt’s«, sagte ich zum Fahrer. Ein Schwarzer. Er nickte geduldig: »Wohin? Zur Hölle?«

Glück gehabt
    oder Die Nacht mit der Powerfrau
    Ein ganzes Wochenende lang hatte ich mit Leuten von einer großen und bekannten Bank zu tun. Die Westdeutsche Bank gilt als arrogant und aggressiv, sie wollte ein neues Image und einen neuen Slogan haben. Der Vorstand hatte drei Werbeagenturen beauftragt, eine Kampagne zu konzipieren. Die Bank wollte frisch und munter dastehen. Sie hatte Frühlingsgelüste.
    Ein Herr aus dem Vorstand war ein Skeptiker. Er hatte mir einen längeren, erstaunlich zutraulichen Brief geschrieben, in dem er mir verriet, auch Banker läsen Bücher. Sie gingen sogar zu Autorenlesungen. Er sei vor einiger Zeit bei einer Lesung von mir gewesen und habe vor allem an den Passagen Gefallen gefunden, in denen mein Romanheld den abgestumpften Geschäftsleuten eins über die Rübe gebe. Den Typus des fiesen Finanzhais hätte ich »herrlich gnadenlos« getroffen, schrieb der Banker. »Mit besten Insiderdetails. Hut ab!«
    Den beauftragten Werbeagenturen traue er, ehrlich gesagt, wenig zu, schrieb er mir, er lade mich daher ein, mir einen frischen und flotten Spruch auszudenken und ihn vorzutragen, wenn die Werbeagenturen ihre Slogans und Kampagnen präsentierten. Er glaube, daß nur Reibung gute Ideen erzeuge. Die Werbeagenturen seien alle schon viel zu glatt. Falls ich sein Ansinnen als unzumutbar betrachte, könne er das verstehen und bäte um Entschuldigung. Sollte ich mich aber zu einer Zuarbeit aufraffen können, würde er sich freuen. Noch mehr, wenn ich als Außenseiter die Werbeheinis aussteche. Er könne mir Zehntausend für meinen Vorschlag zahlen. Sollte sein Haus an meinem Slogan Gefallen finden, werde die Bank mir ein angemessenes Angebot machen, um die Nutzungsrechte zu erwerben.
    Schon sah ich meine Zukunft inklusive Lebensabend gesichert, antwortete aber reserviert, um mein Gesicht als kritischer Geist zu wahren. Als scharfzüngiger Autor müsse ich mir sehr gut überlegen, ob ich meinen Ruf und meine Unabhängigkeit mit einem solchen Job nicht leichtfertig aufs Spiel setze, schrieb ich und bat um Bedenkzeit, obwohl es nichts zu bedenken gab, sondern nur ein flotter Slogan erdacht werden mußte, der mich endlich aller finanziellen Sorgen entheben würde. Denn mit Romanen ist nicht mehr viel Geld zu verdienen, wenn man kein Ire, Balte, Italiener, Skandinavier, Holländer, Türke, Nord- oder Südamerikaner ist, deren Bücher in unserem aufgeschlossenen Deutschland mehr Interesse wecken als die heimischer Autoren. Nicht nur die deutschen Banken, auch die deutsche Literatur bräuchte ein neues Image.
    Von nun an spukten ausschließlich kecke Sprüche für die Bank in meinem Kopf herum und blockierten meine anderen Schreibarbeiten. Zudem benebelte mich die Vorstellung, daß unter den Werbeagenturleuten ein paar bildschöne Frauen sein würden, die die Nase von ihren Werbeagenturkollegen voll hätten und sich nach einem Liebhaber sehnten, mit dem die Liebe nicht werbespotmäßig glatt dahinplätscherte, mit dem noch Reibung und Hitze entstünden. Ein Werbeschnösel würde ihnen eine solche Liebe niemals bieten können. Nur ein Dichter. Ich würde also bei meinem Banksloganpräsentationswochenende nicht nur ein hübsches Sümmchen verdienen, sondern auch die Frau des Lebens finden, nach der ich seit über einem Jahr Ausschau hielt - seitdem die meine gegangen war, nachdem es im Leben mit mir nicht mehr genügend Reibungshitze gab. Denn ein Mensch, der vom Schreiben, also vom Sprücheklopfen lebt, ist im Alltag oft ein Langweiler.
     
    In dem Frankfurter Nobelhotel, in dem wir tagen und zweimal nächtigen würden, wurde ich gleich bei der Begrüßung mit der Tatsache konfrontiert, daß ausgerechnet im Zentrum einer Branche, in der Hunderttausende von Dollars für Fotos von wild sich rekelnden Schmollmund-Mädchen an Südseestränden ausgegeben
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