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Aus dem Leben eines Lohnschreibers

Titel: Aus dem Leben eines Lohnschreibers
Autoren: Joseph von Westphalen
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werden, Wesen tätig sind, die an zahme Suppenhühner erinnern. Unter den farblos verbiesterten Frauen der Werbeagenturen befand sich die Frau meiner Träume nicht. Obendrein waren die Werbe-Weibchen und -Männchen unzugänglich irgendwelchen Witzen ihrem Gewerbe gegenüber. Das haben die gemeinsam mit den bildenden Künstlern. Selbst in Gewerkschaften und politischen Parteien ist die Fähigkeit zur Selbstironie ausgeprägter als bei den sogenannten Kreativen.
    Die Werbeleute entnahmen ihren Mappen Folien und legten sie mit der Behutsamkeit von Insektensammlern auf die Glasplatte des Overheadprojektors. Offenbar glaubten sie, die nüchternen Banker am ehesten mit altmodischnüchternen Grafiken beeindrucken zu können, wenn es darum ging, ihre Werbestrategie optisch zu erläutern. Die Powerpoint-Präsentation mittels Laptop und Beamer galt hier aber als ordinärer Firlefanz. Auf den Grafiken waren meistens Dreiecke zu sehen, die an ihren Spitzen mit den Worten »Kunde« - »Bank« - »Motivation« beschriftet waren. Dazu ein paar Pfeile von einem Wort zum andern. Manchmal war die Reihenfolge auch Bank - Motivation - Kunde.
    Und dann war er da, der Höhepunkt der Präsentation: Einer der Werbemenschen sagte erstaunlich hölzern und eingelernt: »Und wie können wir nun verhindern, daß sich der Kunde einer anderen Bank zuwendet?« Als könne er diesem Satz nur so den nötigen Nachdruck verleihen und ihn als Frage kennzeichnen, legte er zur Illustration ein großes Fragezeichen auf den Projektor - ein Menetekel, das auch während der Kaffeepause noch dreimetergroß an der Leinwand des Sitzungssaals schwebte und keinen der Bankmenschen auf die Idee brachte, ihren seltsamen Beruf, den Aktienmarkt, die Kreditpolitik - oder wenigstens diese Veranstaltung in Frage zu stellen.
    Die fünf, sechs Banker verzogen keine Miene. Sie lächelten nur in den Pausen, wenn sie unter sich siegesgewiß von Dollar, Yen und Euro tuschelten. Besonders erheiterte sie, daß der Schweizer Franken so gut wie tot sei. Dann ließen sie sich weiter mit abweisenden Gesichtern von den Werbeleuten die Ideen zu einem neuen Image ihrer Bank erläutern, lasen zwischendurch Zeitung und betrachteten mißmutig den zuckenden roten Leuchtpunkt, mit dem die Vortragenden auf der Projektionsleinwand zwischen den Worten Bank und Kunde hin und her deuteten.
    Die Komik der Darbietung war den Bankleuten nicht bewußt, denn sie arbeiteten ja mit den gleichen Methoden. Wenn sie ihren Großkunden die Vorteile irgendwelcher günstiger Kapitalanlagen oder noch günstigerer Kredite erläuterten, benutzten sie ebenfalls Overheadprojektoren und Folien mit ähnlichen Grafiken. Und auch diese Großkunden waren stumpf. Sie brachen nicht in Gelächter aus, wenn am unteren Rand der an die Wand geworfenen Tortenstücke und Zickzacklinien seltsame Kürzel auf die Herkunft der Grafik verwiesen: Helaba, Baylaba - das klang doch nach Ballaballa und Simsalabim, aber es meinte Hessische oder Bayerische Landesbank.
    Mal vier, mal fünf Banker ließen sich im Sitzungssaal des Hotels, in dem wir alle auch wohnten, mit undurchschaubaren Gesichtern von den Werbeleuten die Ideen zu einem neuen Image erläutern. Der Mensch, der mich eingeladen hatte, war verhindert, und ich sah meine Chancen schwinden. Ich hatte die falschen Vorstellungen von aparten und eroberungswerten Werbefrauen gehabt, und als genauso irre würde sich meine Hoffnung erweisen, die Bank könne mit meinem Slogan etwas anfangen und ihn mir abkaufen.
    Unter den Bankleuten war eine Frau. Ich machte mir absolut nichts aus ihr, schon weil meine eigene verschwundene Frau solche Frauen immer als »gutaussehend« bezeichnet hatte. Mir war ihre Stirn zu klar, das Haar zu hell und gekämmt, die Nase zu edel und der Blick zu sicher. Nichts an ihr machte mich an. Alle Phantasien blieben tot. Solche Frauen wünschen sich Mütter als Schwiegertöchter. Ich hasse allein Blazer schon zu abgrundtief, als daß auch nur die Spur eines erotischen Funkens ein Knistern in mir hätte auslösen können. Ich mag Frauen nicht, die unentwegt wissen, was sie wollen.
    Mein Vorschlag, den ich nun ohne die Hilfe von Overheadprojektoren und Fragezeichen an der Wand erläuterte, lautete »Glück gehabt!« Dazu der Namen der Bank. »Glück gehabt! Westdeutsche Bank.« Immer verschiedene Riesenplakatfotos. Ein ansehnliches Paar läßt sich am Schalter Geld auszahlen, unterschreibt einen Kreditvertrag oder wirft nur einen beruhigten Blick auf den Kontoauszug.
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