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Aus dem Leben eines Lohnschreibers

Titel: Aus dem Leben eines Lohnschreibers
Autoren: Joseph von Westphalen
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diesen Satz begleiten muß, den Blick, in dessen Hintergrund ein bißchen um Verständnis dafür gebeten wird, daß einem in der Eile kein originelleres Annäherungssignal eingefallen ist als diese uralte Hemmschwellenbeseitigungslosung, deren Wahrheitsgehalt so schön unüberprüfbar ist. »Ich habe von Ihnen geträumt!« Das war so lustlos aus ihr herausgekommen, als hätte sie den Satz aus einem Ratgeber für Anmache gelernt und wisse gar nicht, was er bedeutet: Tut mir leid, ich kann nichts dafür, ich will Ihnen nicht zu nahe treten, möchte Sie aber doch darüber in Kenntnis setzen, daß sich mein wollüstiges Unterbewußtsein offenbar danach sehnt, mein Körper möge sich mit dem Ihren in einem Bett wälzen.
    Auch ich hatte diesen Satz bei manchen Verführungsversuchen schon eingesetzt, aber nicht gleich unvermittelt beim Start, sondern mehr als letztes deutliches Mittel, wenn dezentere Hinweise auf mein Ziel nicht geholfen hatten. Plötzlich fand ich an dem gänzlichen Fehlen jeder erotischer Raffinesse einen seltsamen Gefallen. Ich konnte nicht verhindern, daß mich die unverhofften und stümperhaften Lockrufe der Blazerbankfrau reizten. Meine schwelende Antipathie verwandelte sich in hitzige Lust. Ich hätte gern streng und verächtlich reagiert und zum Beispiel gesagt: »Schade, daß man sich solche Träume nicht verbitten kann!« Statt dessen packte ich ihr Handgelenk, sagte »Dann tun wir’s!« und stand auf.
    Sie wollte in ihr Zimmer. »Ich hasse Blazer«, sagte ich, als wir allein im Lift standen. Dann griff ich mit beiden Händen rechts und links ihr Revers und riß die Jacke auf. Zwei der drei Goldknöpfe platzten ab und fielen zu Boden. Endlich öffneten sich ihre Lippen einen Spalt, und ich wußte, daß es ihr gefiel.
    Derart zur Sache zu gehen ist nicht meine Spezialität. Offen gestanden habe ich noch nie einer Frau den Blazer aufgerissen. Schon weil ich Frauen mit Blazern meide. Man kennt es aus Filmen, wie leidenschaftliche Männer leidenschaftlichen Frauen die Kleider vom Leib reißen. Ich war einerseits froh, daß mein Entkleidungsbeginn eindrucksvoll gelungen war, andererseits war ich in Sorge, ob und wie ich die mir unvertraute Grobheit weiterführen sollte, die sie von mir zu erwarten schien. Man ist nicht immer ein Meister im Bett.
    Es ging besser, als ich dachte. Denn es gefiel mir, daß sie mir noch immer nicht gefiel, daß sie mir fremd war, daß ich sie nicht liebte, daß ich nicht einmal ihren Namen kannte und ihn auch nicht kennen wollte. Die Distanz zu ihr machte mich ausdauernd und einfallsreich. Sie schien auf ihre Kosten zu kommen - oder spielte mir das sehr glaubhaft vor. Es schmeichelte mir, ein brauchbarer Liebhaber zu sein, ich ärgerte mich über meinen dummen Stolz, wurde mir selbst fremd, und auch das gefiel mir. Ihre Ekstase war verhalten, konzentriert, schien aber echt zu sein. »Du verwöhnst mich«, sagte sie und schlief ein.
    Nachts wollte ich dann doch wissen, mit wem ich es zu tun hatte. Sie war verheiratet. Die Art, wie sie abfällig von ihrem ständig müden Mann und seinen schütteren Haaren sprach, war mir nicht angenehm. Wäre ich in sie verliebt gewesen, hätte ich mich jetzt als triumphierender Sieger gefühlt, so aber wollte ich nicht auf Kosten von Schwächeren gelobt werden. Es ist nicht mein Verdienst, daß meine Haare dicht sind. Ich wechselte das Thema und kam auf die Werbefrauen zu sprechen, die ich mir so hübsch vorgestellt hatte. Es gefiel ihr, wie ich sie beschrieb. Ich hatte etwas mehr Solidarität mit ihren Geschlechtsgenossinnen erwartet, erschrak über ihre Zustimmung, und ich hörte sofort auf, mich über deren Schnittlauchhaare und Ofenrohrbeine zu mokieren.
    Sie hatte in Frankreich und Amerika Betriebswirtschaft studiert und war von einer unvorstellbaren Gedankenlosigkeit. Feminismus war für sie Geschwätz. Frauen müssen etwas tun, nicht reden, sagte sie. Sie redete nur in Floskeln. »Ich bin eine Powerfrau«, sagte sie ohne jede Selbstironie und wollte noch einmal verwöhnt werden. Ich war dumm - und auch gemein und lüstern genug, mir und ihr den Gefallen noch einmal zu tun. Wenn ich schon an eine waschechte Powerfrau geraten war, mußte ich die Gelegenheit ausnützen, an der Quelle Erfahrungen zu sammeln. Denn das Bild der Powerfrau, das in verfilmten Frauenbestsellern verbreitet wird, ist von primitivster Positivität.
     
    »In einer von Männern dominierten Welt kämpft sie für Gerechtigkeit und Liebe.« - So oder so ähnlich
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