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Aus dem Leben eines Lohnschreibers

Titel: Aus dem Leben eines Lohnschreibers
Autoren: Joseph von Westphalen
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Sinn: Weil sie selbst die echtesten Liebesschwüre von Männern so lange als unwahrhaftig bezeichnen, bis sie tatsächlich keine echten Gefühle mehr enthalten - dann sagen sie: »Siehst du!«.
    Von mir würde meine neben mir schnarchende westdeutsche Powerbankerin allerdings keine Liebesschwüre zu hören kriegen. Um dreiviertel sechs wurde sie wach, und ich stellte mich schlafend. Sie verschwand im Bad, duschte kurz und heftig und versuchte dann, mit dem Nähzeug, das wie immer in besseren Hotels in einem kleinen Briefchen den Gästen zur Verfügung steht, die beiden abgerissenen Knöpfe an ihren Blazer zu nähen. Es gelang ihr nicht, sie rief den Zimmerservice an, leise, um mich nicht zu wecken, und bat um Hilfe.
    Ich konnte mir vorstellen, wie sie heute abend um zehn aus ihrer westdeutschen Powerbank kommen würde. Drei Sitzungen am Nachmittag haben sie wieder mal mit Infos und Arbeit abgefüllt. Ihr Schmerbauchmann ist vielleicht Arzt und Gesundheitsreformopfer. Er hat nur noch einen mageren Dritteljob und schmeißt etwas kraftlos den Haushalt. Heute hat er vergessen, ihr Lieblingsbier »Powerlight« zu besorgen. »Verdammt, nicht einmal einkaufen kannst du!« faucht die Powerfrau verächtlich wie ein Kerl, knöpft den Blazer auf, streift die Stöckel ab, greift zum Fernsehfernbedienungsteil und kann sich der Zustimmung der Gesellschaft sicher sein. Sie denkt kurz an die letzte Hotelzimmernacht mit diesem Schriftsteller, den ihre Bank zur Präsentation einer neuen Werbekampagne eingeladen hatte, gähnt dann und geht zu Bett.
    Ich war gespannt, ob sie sich ohne mich zu wecken, aus dem Zimmer stehlen würde, wie diese Männer, die die Luxusnutte schlafen lassen, wenn sie wieder in die Welt hinaus ziehen. Ich atmete tief und echt und schloß die Augen, so gut und glaubwürdig es ging. Sie malte sich die Lippen an und beobachtete mich dabei im Garderobenspiegel. Überraschenderweise setzte sie sich dann mitsamt ihrem von dem pakistanischen Zimmermädchen frisch restaurierten Blazer auf die Bettkante, und ich fragte mich, ob sie merkte, daß ich nicht schlief.
    »Sieht man sich wieder?« fragte sie.
    »Kein Thema«, sagte ich mit geschlossenen Augen. Sie nahm eine Visitenkarte, legte sie auf den Nachttisch. Ich war froh, daß sie mir nicht zärtlich durch die Haare fuhr. Sie blieb sich treu und ging, ohne sich umzudrehen.
     
    Der Banker, der mich eingeladen hatte, schrieb mir wenig später einen Brief und bedauerte, verhindert gewesen zu sein. Seine Vorstandskollegen hätten meinen Slogan abgelehnt. »Glück gehabt« ginge nicht. Glück sei ein zu wankelmütiger Begriff für das Image einer Bank, die ja Beständigkeit und Zuverlässigkeit ausstrahlen will. Nur die Dame aus der Führungsriege habe meinem Vorschlag etwas abgewinnen können. Er solle mich von ihr grüßen.
    Ich suchte die Visitenkarte. Die Powerfrau. Vielleicht war sie mir nur in einem systemfeindlichen Anfall als stumpf und geistlos erschienen? Ich sollte das Urteil überprüfen.

La Donna è mobile
    oder Die Vorteile der Unbeweglichkeit
    Man hatte mich gewarnt: Laß dich nicht mit einer Sizilianerin ein. Du bist ihr nie und nimmer gewachsen, zumindest nicht länger als ein Vierteljahr. Immerhin ging das Zusammenleben ein halbes Jahr gut. Fast schon ein Sieg also.
    Natürlich kam der Ausbruch des Vulkans nicht ohne Vorwarnung. Ihr Blick war immer häufiger immer düsterer geworden. Doch stand ihr dieser Blick so gut, daß ich ihn für ein Zeichen südländischer Liebesglut hielt oder halten wollte. Zwar krachte es ab und an, aber wo kracht es nicht.
    Dann aber ging ich eines Abends kurz vor Ladenschluß Kaffee und Zigaretten kaufen, in bester Laune, denn ich war mitten in einem Romankapitel, und es sah so aus, als würde ich in der Ruhe der Nacht damit fertig werden. Als ich nach Hause kam, war die Wohnungstür von innen verschlossen. Nachdem ich eine Weile mit zunehmender Besorgnis geklopft und geklingelt hatte, wurde die Tür von innen aufgerissen. Sie erschien, stemmte die Fäuste in die Taille, und ich erlebte einen so astreinen süditalienischen Wutanfall, daß ich weniger schockiert als fasziniert war. Es tut mir leid, Frauen, die zu Furien werden, erheitern mich. Auch wenn ihre Wut gegen mich gerichtet ist, ich nehme diese Art der Ekstase nicht ernst. Ich kann in solchen Fällen ein Lächeln nicht ganz verbergen, was eine rasende Frau verständlicherweise noch rasender macht und unter Umständen handgreiflich werden läßt.
    Sie schrie mich in
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