Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Augen für den Fuchs

Titel: Augen für den Fuchs
Autoren: Henner Kotte
Vom Netzwerk:
Flur hingen Bilder und standen Nippes herum. Miersch sah Fotografien, die Anne, Sebastian und Hajo Popp zeigten. Glücklich schauten sie in die Kamera. Der Sohn streckte die Zunge heraus. Wahrscheinlich hatte Rosel ihre Familie fotografiert.
    »Sebastian war ihr Liebling. Vielleicht besser, wenn Mutter die Wahrheit nicht mehr begreift.«
    »Was Wahrheit? Was Mutter?«
    Sie erschraken durch die lauten Schreie.
    Rosel stand in einer der Türen. Die Arme in die Hüfte gestemmt. Die Schürze war offen und zeigte sie in Schlüpfer und BH. Miersch betrachtete weiter die Fotografien. Von Rosel waren keine dabei. Nur ihre Kinder, ihr Mann. Aus der Stube der Alten drang das künstliche Lachen der Sitcoms.
    »Einen Kaffee und ein Stückchen Kuchen?«
    Auch Anne war die Situation peinlich. Sie schaute zur geschlossenen Tür, als könnte sie dort Spinnweben entdecken. Miersch nickte. Anne ging forsch voran zum Gastraum.
    Rosel schrie ihnen nach: »Nichts wisst ihr. Nichts! Hajo ist kein Mörder! Nie gewesen. Ihr könnt erzählen, was ihr wollt. Hajo war es nicht. Hajo ist kein Mörder!« Dann fing sie plötzlich an zu weinen und verschwand wieder in ihrer Stube.
    »Vielleicht hätten wir ihr die Wahrheit nicht sagen sollen«, meinte Anne.
    »Sie wird damit leben. Mit der anderen hat sie sich auch arrangiert.«
    Im Gastraum setzte er sich an den Tisch, der ihm mittlerweile Stammplatz geworden war. Gunda brachte den Kuchen und drei Teller dazu.
    »Von Oma. Hat sie heute früh noch gebacken.«
    Anne stand am Automaten für den Kaffee. »Zucker? Milch?«
    »Ohne.«
    Dann saßen sie drei wie in einer Familie und genossen die Ruhe. In kaum einer Stunde würde Anne wieder hinter der Theke stehen müssen. Gunda würde in der Küche verschwinden. Matze von der Feuerwehr würde sich auf seinen Barhocker setzen und mit Anne flirten. Vielleicht kamen auch andere Gäste. Das Leben ging seinen Lauf.
    Da flog erneut eine Tür auf. Diesmal stand Rosel in Kleid und mit einem Koffer vor ihnen. Sie streckte Miersch ihre Hände entgegen. Um die Augen sah er die Spuren der Tränen.
    »Hajo ist kein Mörder. Verhaften Sie mich.«
    Rosel meinte es ernst. Sie stand starr. Kein Muskel regte sich in ihrem Gesicht. Nur ihre Hände zitterten vor seinen Augen. Er müsste nur die Handschellen um sie schließen. Anne und Gunda starrten sie ungläubig an.
    Miersch legte den Löffel auf den Teller zurück. »Warum sollte ich Sie verhaften?«
    »Weil ich meinen Sohn umgebracht habe. Verstehen Sie? Ich!«
    Anne hatte sich als Erste gefasst. Sie nahm ihre Mutter bei der Schulter und zwang sie auf einen Stuhl. Dabei blickte sie Miersch entschuldigend an. Er würde ihr auch in Zukunft alles verzeihen.
    »War ein bissel viel, Mutsch. Willste auch ein Stück Kuchen? Lecker. Der ist dir gelungen.«
    »Nichts wisst ihr. Nichts! Hajo ist kein Mörder! Ich habe ihn in der Scheune gefunden. Sebastian hatte den Hajo in die Forken gestürzt.«
    Anne sah erst ihre Mutter, dann Miersch an. Gunda blickte auf ihre Fingerspitzen, die sie gegeneinander presste und dann wieder löste.
    »Mein eigener Sohn hat seinen Vater getötet, weil Hajo wusste, dass Sebastian alle die Mädchen umgebracht hat. Ja …« Rosel sah herausfordernd nacheinander in alle ihre Gesichter und zwang sie, ihrem Blick zu begegnen. »Ja, ich habe all die Jahre gewusst, dass Sebastian der Augensammler war. Aber warum sollte ich mich selber belasten? Sie waren tot. Hinter Gitter habe ich nicht gewollt. Wer hätte sich um das Gasthaus und die Anne gekümmert? Der Gerechtigkeit war Genüge getan.«
    Rosel stand wieder auf, ging um den Tisch und blieb vor Miersch stehen. Die Hände nach vorn, so dass die Handschellen passten. »Ich habe Sebastian getötet. Verhaften Sie mich!«
    Wenn Miersch es sich recht überlegte, dann konnten die Tatsachen auch so gedeutet werden. Laut Queißer hatte sich Sebastian nicht selbst erhängt. Wenn der Sohn den Vater getötet hatte, brachte vielleicht die Mutter den Sohn um. Auch so passten die Indizien zusammen. Diese Erklärung schien Miersch sogar logischer. Vielleicht sprach Rosel die endgültige Wahrheit.
    »Mutti, was erzählst du da? Du bist keine Mörderin.«
    Rosel sah zu Anne und tätschelte ihre Hand, die neben dem Kuchenteller auf dem Tisch lag. »Doch, mein Kind, doch. Ich kam in die Scheune, als Hajo Sebastian zur Rede gestellt hat. Sie stritten. Sebastian war außer sich vor Wut. Er hat geschrien und ist auf seinen Vater losgegangen. Die Mistgabel in der Hand. Hajo
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher