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Augen für den Fuchs

Titel: Augen für den Fuchs
Autoren: Henner Kotte
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Die schlechten Gefühle blieben.
    Er drückte den Knopf der Wechselsprechanlage. »Frau Hohmann, einen Kaffee!«
    »Wasser kocht schon.«
    Vielleicht konnte seine Sekretärin die Situation richtig einschätzen. Manchmal hatte er den Eindruck, dass Manuela Hohmann mehr durchschaute, als sie ihn merken ließ. Kohlund wischte sich den Schweiß von der Stirn und bat um Aufschub, den ihm keiner gewähren würde. Er allein sagte Ja oder Nein.
    Beim Öffnen entglitt Manuela Hohmann die Bürotür und krachte gegen die Wand. Es war auf der weißen Tapete bereits ein schwarzer Fleck sichtbar. Im Putz glaubte Kohlund eine Delle zu erkennen. Die Hohmann lächelte entschuldigend und stellte Tasse und Thermoskanne auf den Tisch. Er schob die Akten beiseite. Sie verschwand ohne ein Wort und schloss leise die Tür hinter sich.
    Kohlund wusste nicht, wie viele Minuten seine Gedanken Kreuzwege gelaufen waren, als das Telefon klingelte. Er griff mit einem unguten Gefühl zum Hörer. Ein neuer Tod. Neue Tragödien. Neue Täter, weitere Opfer.
    »Lars?«
    Queißer. Kohlund konnte sich nicht vorstellen, was sein alter Kollege von ihm wollte. Wenn er ihm schon wieder den Posten des Kriminaldirektors antragen wollte, würde Kohlund schreien. Er brauchte keine Ratschläge, so gut sie gemeint waren. Sie hatten alles beredet. Endlos. Dafür und dagegen. Er hatte es satt und vertrug kein Wort mehr zum Posten und dessen Übernahme.
    »Lars?«
    »Ja.«
    Er gab sich als kurz angebunden, und einem aufmerksamen Hörer hätte sich jedes langatmige Gespräch verboten. Aber Queißer sprach weiter. Gut gelaunt, angetrunken. Er kam sich wohl besonders witzig vor. Kohlund schluckte und schätzte den schwarzen Fleck neben der Tür: fünf mal zwei Zentimeter, mindestens aber vier mal einen Zentimeter breit. Ach, Scheiße!
    »Lars, wir sitzen hier gemütlich beisammen und würden uns freuen, wenn du zu unserer Runde dazustoßen möchtest.«
    »Kaum möglich. Die Arbeit, du weißt …«
    »Keiner kann immer nur an den Job denken. Los komm, wir würden uns freuen.«
    »Wer wir?«
    »Konstantin, ich, Anne, Matze. Gunda kommt auch noch.«
    Kohlund sagten die Namen nichts, und Queißer tat, als sei er seit Jahren mit ihnen befreundet. Anne, Matze, Gunda und Konstantin … Miersch. Mein Gott, der Alte saß mit dem Bayer an einem Tisch in der Kneipe! Kohlund hatte diese Liaison bereits in Queißers Stube gewundert. Jetzt waren sie offensichtlich unzertrennlich. Kein gutes Zeichen.
    »Über den Posten des Kriminaldirektors musst du mit mir nicht mehr reden.«
    »Wollen wir gar nicht.«
    Queißer sprach bereits im Plural. Kohlund fasste es nicht.
    »Ich glaube, Zu den alten Eichen wird eine meiner Lieblingskneipen werden. Die Preise erträglich, die Küche ausgezeichnet. Musste probieren. Eine Kartoffelsuppe, du leckst dir die Finger … Mutzbraten, Quarkkeulchen …«
    »Wie lange campierst du denn in dem Restaurant? Eine Woche?«
    »Zwei Tage. Die blanke Erholung, und gar nicht weit weg.«
    »Wo stehen denn die Alten Eichen?«
    »In Machern. Gleich Hauptstraße links. Vor dem Schloss.«
    »Meinst du wirklich, ich fahre dreißig Kilometer, um gut zu essen?«
    »Nimmste auch ein Zimmer. Du schläfst wie bei Muttern. Ruhe und Geborgenheit, Stille.«
    »Klingt wie im Grab.«
    »Los, Mann, Lars, komm vorbei, wir warten auf dich.«
    Queißer kicherte wie ein Mädchen beim ersten Rendezvous. Kohlund knallte den Hörer auf die Gabel und nahm ihn gleich wieder ab. Er drückte die Nummer. Jetzt oder nie. Annegret Pohlenz meldete sich, er hörte ihrer Stimme das Übergewicht an.
    »Ich bitte um einen Termin beim Chef.«
    »Wird schwierig. Miersch hat gekündigt, wir werden die Stelle offiziell ausschreiben müssen.«
    »Das ist gut. Dann muss ich mich auf diesen Job nicht bewerben.«
    »Wie Sie wollen, Herr Hauptkommissar. Thorst Schmitt hat gerade seine Bewerbungsunterlagen eingereicht.«
    »Thorst Schmitt?«
    »Ja. Seine Chancen stehen nicht schlecht, meint der Chef … Und wenn Sie sich zurückziehen, dann stehen sie sogar gut.«
    Kohlund schmiss den Pott Kaffee gegen die Wand. Der dunkle Fleck wurde größer und verlief sich zum Boden. Die Spuren sahen aus wie die Stäbe eines Zellenfensters.
     
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