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Augen der Nacht (Dunkelmond Saga) (German Edition)

Augen der Nacht (Dunkelmond Saga) (German Edition)

Titel: Augen der Nacht (Dunkelmond Saga) (German Edition)
Autoren: Ulrike Duprée
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hatte die Herrschaften noch nie zuvor gesehen.
„ Herrje “, schnaufte Martha. Sie war bereits etliche Male
zwischen Spiegel und Fenster hin und her gelaufen und
ärgerte sich, dass sie mit Vells Frisur nicht vorankam.
„ So kann das nichts werden! “, schimpfte sie, „ ,du musst dich
hinsetzen.“
Lustlos ging Vell daraufhin zum Spiegel und ließ sich auf
dem Stuhl davor nieder. Das Gesicht einer schönen, jungen
Frau blickte ihr entgegen, gewandet in einem weißen Kleid.
Doch in ihren Augen gab es etwas, dass nach Hilfe schrie,
etwas, das große Angst hatte.
„ Mir ist nicht nach feiern“, stellte Vell fest, „ ich denke, ich
kann das nicht.“
„Kommt nicht in Frage“, widersprach Marta„ wozu glaubst
du habe ich mir all diese Arbeit gemacht? Außerdem wird der
Syrer
deine
Hilfe brauchen,
die Gäste
dürfen
sich
nicht
langweilen, verstehst du?“
„Ich hab sie ja nicht eingeladen. Außerdem weiß ich nicht,
was ich sagen soll!"
„Dir wird schon was einfallen", fand die Dicke, „ sonst bist du
ja auch nicht auf den Mund gefallen.“
Beunruhigt blickte Vell auf ihr Abbild. Es gab wohl nichts,
was ihr all das ersparen würde. Und eine plötzliche Grippe
würde ihr Martha nicht abkaufen.
„ Kannst du mir noch einmal die alte Geschichte erzählen?“ „ Ach Kind, das ist schon so lange her.“
„Erzähl sie
mir
trotzdem“, bettelte Vell, „ nur
noch ein
einziges Mal.“
„ Also gut“, seufzte die Dicke, „ wenn du dafür still hältst.
Also damals, als du zu uns kamst, war der ganze Himmel so
weiß wie die Wolken. Es hatte wochenlang geschneit. Und es
war so kalt, dass ich mich kaum vor die Tür wagte. Du warst
noch ein winziges Würmchen, als dich dein Vater zu uns
brachte. Du hast in einem Korb gelegen und geschlafen. Dein
Vater war ein großer Mann, stattlich und sehr gut aussehend,
wenn du mich fragst. Und so traurig wie ich noch keinen
Menschen gesehen habe. Er gab deinem Großonkel den Korb
und sagte: „Hüte sie wie dein Augenlicht. Sie ist das Einzige,
was mir geblieben ist.“
Velura
schloss
die
Augen
und
versuchte,
ihn
sich
vorzustellen. Immer war es das gleiche Bild und es hatte
sich all die Jahre kaum verändert. Wie sie, hatte ihr Vater
braunes Haar und grüne Augen. Und jedes Mal weinte er,
weil er sie weggeben musste. „Und dann?“
„Dann ist er gegangen“, vollendete Martha die altbekannte
Geschichte, doch es war das erste Mal, dass Vell sie als
schmerzvoll empfand, „ Wieso
glaubst
du,
ist
er
nie
zurückgekommen?“
„Ich weiß es nicht Engel. Er hat den Tod deiner Mutter wohl
nie verwunden.“
Schon möglich, dachte Vell. Aber was, wenn er in Wahrheit
doch
noch
lebte? Vielleicht
hatte er
eine neue Familie
gegründet und beschlossen, sie zu vergessen. In Gedanken
griff sie sich an den Hals und drückte die Kette.
Sie
wusste
es
nicht.
Und
im
Grunde
war
es
auch
unbedeutend. Er war nicht da und sie hatte gelernt, damit
zu leben.
Martha war inzwischen mit dem Flechten fertig und steckte
ihr weiße Blüten ins Haar.
„ Schwarz wäre mir lieber“, kommentierte Vell.
Dieses Fest war schließlich eine Beerdigung. Ein Wunder,
dass überhaupt jemand kam, zum einsamsten Ort, den es je
gegeben hatte. Doch die Besucher wollten nicht abreißen.
Die Dicke hatte die Hochsteckfrisur kaum vollendet, als Vell
abermals von draußen die Pferde hörte. Wieder eilte sie
zum Fenster. Sie sah ein schwarzes Gefährt, das die lange
Allee entlang kam. Vier Rappen zogen den großen Wagen.
Und sie erkannte Egan, der die Gäste gehetzt in Empfang
nahm.
Die Tür des Wagens öffnete sich. Als es plötzlich an ihre
Zimmertür klopfte. Vell löste sich vom Fenster und nahm
schnell
die
übliche
Empfangspose
ein.
Gerade
noch
rechtzeitig. Im Türrahmen stand nun ihr Vormund. Auf
seinem Haupt thronte seine größte Perücke. Dazu trug er
eine blaue Festrobe mit silbernen Manschettenknöpfen.
„ Das habt ihr gut gemacht“, lobte er Martha , „ich bin schon
weit gereist und nirgends
habe ich
je so ein
reizendes
Mädchen gesehen.“
„Ihr dagegen seht krank aus, Onkel“, erwiderte Vell, „ bitte
sagt mir, wenn ich irgendetwas für euch tun kann .“
Seine Miene versteinerte sich im selben Moment, doch er
wusste sie geschickt zu überspielen. „ Keine Sorge“, versicherte er, „ es geht mir Bestens , und ich erwarte, ein
wunderbares Fest zu haben.“ Sein Lächeln wirkte aufgesetzt,
genauso wie seine Perücke. Im gleichen Moment wurde ihr
klar, dass er niemals vorhatte,
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