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Auge um Auge - Ein Verehrer schuettete mir Saeure ins Gesicht Jetzt liegt sein Schicksal in meiner Hand

Titel: Auge um Auge - Ein Verehrer schuettete mir Saeure ins Gesicht Jetzt liegt sein Schicksal in meiner Hand
Autoren: Ameneh Bahrami
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derart heftig auf andere Kinder loszugehen?«
    Ich verteidigte mich. »Er war doch selbst schuld. Wer austeilen kann, muss auch einstecken können.«
    Als wir Jahre später wieder einmal bei meiner Großmutter zu Besuch waren, ging dieser Junge – mittlerweile ein gut aussehender junger Mann – draußen vor dem Haus vorbei, und Großmutter fragte mich: »Weißt du noch, wie du ihn damals vermöbelt hast?«
    Der Junge musste uns gehört haben, denn er hob den Blick und grüßte freundlich: »Salam!«
    Ich, inzwischen eine junge Dame, erwiderte seinen Gruß artig und fragte ihn dann: »Weißt du noch, wie du mich geärgert und dafür ordentlich eins von mir auf die Nase gekriegt hast?«
    »Ja, das hab ich noch lebhaft vor Augen, und ich möchte dich nachträglich um Verzeihung bitten«, sagte er und strahlte. Ich verzieh ihm natürlich – wir lachten beide und unterhielten uns noch eine Weile.
    Es war eine schöne Zeit damals – wir hatten eine glückliche Kindheit. In den Sommerferien brachten unsere Eltern Mohammad und mich jedes Jahr nach Hamadan zu unseren Großeltern. So entkamen wir der öden Militärsiedlung in der Großstadt während der heißesten Zeit des Jahres. Wir genossen drei wundervolle Monate in der freien Natur und in Opas großem Garten, der voller Obstbäume stand. Wenn wir ihn zur Erntezeit gemeinsam mit meinem Großvater durchstreiften und er mit seinem Gehstock gegen die Baumstämme schlug, regnete es Obst für uns alle. Das sammelten wir in mitgebrachte Säcke und hatten jede Menge Spaß dabei. Wenn uns die Ernte in Großvaters Garten nicht genügte, holten Mohammad und ich unterwegs noch heimlich ein paar Früchte aus den Gärten der Nachbarn.
    Die Besuche bei unseren Großeltern in Hamadan waren kleine Zeitreisen. Von der modernen und komfortablen Wohnung in Teheran ging es in das Haus meines Großvaters, wo der Fußboden noch aus gestampftem Lehm bestand und die Toilette in einem kleinen, unbeheizten Verschlag auf dem Hof untergebracht war. Hier standen die Uhren still – auch gesellschaftlich, aber das bemerkten wir Kinder zu jener Zeit natürlich noch nicht.
    Mein Bruder und ich wollten in den großen Ferien in Hamadan möglichst viel Spaß haben, weil das Leben in der Militärsiedlung in Teheran oft eintönig war. Mein Vater, der Soldat, führte zu Hause ein strenges Regime. Kinderspiele hatten möglichst lautlos vonstattenzugehen. Lästig war uns auch, dass wir schon von klein auf in aller Herrgottsfrühe fürs Morgengebet aus den Betten kriechen mussten. Mutters Proteste – »Die Kinder sind doch noch viel zu klein!« – waren vergeblich.
    »Je früher sie beten lernen, desto besser«, führte mein Vater ins Feld. Auch deshalb war Hamadan für uns ein fast paradiesischer Fleck. Kein Vater, der uns zu irgendetwas zwang, keine Mutter, die uns ständig in den Ohren lag: »Tut dies, tut jenes – eurem Vater zuliebe.« Die Großeltern ließen uns viel Freiraum. Und weil, wenn wir etwas angestellt hatten, zwischen Mohammad und mir selten der wahre Schuldige auszumachen war, gabs auch nie Prügel. Bis auf eine Ausnahme. Ein einziges Mal wurde meinem Bruder derart der Hintern versohlt, dass ihm Hören und Sehen verging.
    Mein Großvater rauchte gern selbst gedrehte Zigaretten und besaß eine sehr schön mit Intarsien verzierte Tabakdose, auf der ein kleiner Vogel in einem großen Garten zu sehen war. Wir schauten ihm gerne zu, wenn er sich die Zigaretten drehte, und versuchten es auch einige Male vergeblich selbst.
    Manchmal bettelten wir: »Bitte Opa, nur einmal ziehen ... bitte!«
    Mein Großvater ließ sich eines Tages erweichen, ich nahm meinen ersten Zug von seiner Zigarette und bekam prompt einen Hustenanfall.
    »Siehst du, was hab ich gesagt, Rauchen ist nichts für Mädchen. Nur Männer rauchen«, sagte Opa und befand das Thema damit für erledigt. Mein kleiner Bruder aber nutzte lange danach noch jede Gelegenheit, mir meine kleine Blamage unter die Nase zu reiben. Wann immer Großvater seine Zigarette ablegte, pflückte Mohammad sie vom Aschenbecherrand, pflanzte sich paffend in Prahlerpose vor mir auf und stichelte: »Siehst du, Rauchen ist nur was für Männer.«
    Ich hielt dagegen: »Du kannst ja nicht mal Zigaretten drehen. Wie willst du jemals rauchen lernen?«
    Die Neugier trieb uns eines Nachmittags, mit Schere, Papier und Buntstiften gerüstet, in den Schuppen meiner Großmutter am Ende des Hofs. Es wäre doch gelacht gewesen, wenn wir nicht unsere eigenen Zigaretten
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