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Auge um Auge - Ein Verehrer schuettete mir Saeure ins Gesicht Jetzt liegt sein Schicksal in meiner Hand

Titel: Auge um Auge - Ein Verehrer schuettete mir Saeure ins Gesicht Jetzt liegt sein Schicksal in meiner Hand
Autoren: Ameneh Bahrami
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Gefängnisgenossen einmal geschrieben: »Was ich getan habe, hat mich sechs Monate lang in den Schlagzeilen gehalten.« Nicht nur das – Madschid ist noch auf etwas anderes stolz: Nach dem Attentat fand er mit einem Mal unzählige Nachahmer. Männer, die wie er glaubten, sie könnten sich als Herrscher über die Gefühle und das Leben junger Frauen aufschwingen.
    Bevor er mich angegriffen hat, lag der letzte Säureanschlag auf eine iranische Frau acht Jahre zurück. Zwei Mädchen wurden damals schwer verletzt und der Täter nach einem Gerichtsverfahren umgehend hingerichtet. Acht Jahre war nach diesem Urteil Ruhe – bis Madschid diesen Bann wieder brach.
    Ich, Ameneh Bahrami, werde etwas tun, das diesen Kerl bis an sein Lebensende in Atem hält und an seine Schlagzeilen, auf die er offenbar so stolz ist, für alle Ewigkeit erinnern wird. Nicht nur er – alle seinesgleichen werden sehen, dass eine einzelne Frau nicht klein und hilflos ist. Sie werden erkennen müssen, dass eine Frau ihr Schicksal in die eigenen Hände nehmen kann. Genau das werde ich ihm und seinen Brüdern im Geiste beweisen, wenn ich das Urteil vollstrecke. Nach dem Richterspruch, den ich in Teheran erstritten hatte, hörten die hinterhältigen Säureangriffe auf iranische Frauen plötzlich wieder auf. Vielleicht ein erster Erfolg.
    Noch dem letzten Tyrannen sollte fortan klar sein, dass er nicht mehr machen kann, was ihm gerade gefällt. Jeder muss am Ende die Konsequenzen für sein Unrecht tragen. Wer eine Grausamkeit verübt, wird eines Tages zur Rechenschaft gezogen. Und nun liegt es an mir, Madschid seiner gerechten Strafe zuzuführen.

3. Rückblick – Eine Kindheit im Iran
    Ich erinnere mich noch genau an den Tag. Es war einige Zeit nach dem verhängnisvollen Attentat; ich lebte in Barcelona. Und ich geriet wieder einmal mit meiner älteren Schwester Schirin in Streit. Sie wurde gehässig: »Mama und Papa wollen dich nicht mehr. Sie haben Angst vor dir, so, wie du jetzt aussiehst. Keine Augenlider mehr, keine Pupillen. Dein Gesicht völlig entstellt … Noch dazu sind deine Hände verunstaltet, ganz verätzt, alle beide. Wie ein Monster siehst du aus! Frag dich doch selbst: Wie sollen unsere Eltern dich bei diesem Anblick überhaupt noch lieb haben können?«
    Eine Welt stürzte für mich zusammen. Ich brach in Tränen aus und rief verzweifelt meinen Vater in Teheran an: »Stimmt das? Habt ihr mich wirklich nicht mehr lieb, weil ich meine Schönheit verloren habe?« Er beruhigte mich. »Wir hatten dich immer lieb und werden dich auch immer lieben. Du warst unser Wunschkind. Wir haben uns von Gott ein zweites Kind gewünscht – nicht nur, damit Schirin einen Bruder oder eine Schwester bekommt. Glaub mir, wir haben dich herbeigesehnt, Ameneh.«
    Ich atmete auf und erinnerte mich daran, was mir meine Mutter einmal erzählt hatte: »Deine Geburt wird mir unvergesslich bleiben, Ameneh. Stell dir vor, du bist das einzige meiner fünf Kinder, das im Krankenhaus vertauscht wurde! Ich sah dich kurz, direkt nach der Geburt, bevor ich in Tiefschlaf fiel: ein kleines, überaus hässliches, dunkelhäutiges Ding mit schwarzen Kulleraugen und glattem, sehr dichtem Haar. Du warst so hässlich, dass wir alle lachen mussten ...« Meine Mutter hielt kurz inne und erzählte dann lächelnd weiter: »Das Kind, das man mir später brachte, war viel hübscher als das Baby, das ich geboren hatte. Ich rief die Schwester und erklärte ihr, dass dies nicht mein Baby sei und eine Verwechslung vorliegen müsse. Die Schwester prüfte das Erkennungsbändchen, und wirklich, jemand hatte das Kind vertauscht. Stell dir vor, mein Schatz, wenn mir das damals nicht aufgefallen wäre, hätten die anderen Eltern vielleicht gar nicht gemerkt, dass du nicht ihre Tochter bist. Sie hätten dich mit nach Hause genommen, und wir hätten dich vielleicht nie wiedergefunden. Und hätten nie miterlebt, was für ein schönes Kind aus dir geworden ist.«
    Und heute? Heute war ich wieder hässlich. So entstellt, dass die Leute auf der Straße sich von mir abwandten.
    Ich kam am 29. September 1978 als Tochter liebender und frommer Eltern zur Welt. Mein Vater arbeitete im Verteidigungsministerium, meine Mutter war Hausfrau. Beide stammten aus Hamadan, rund dreihundert Kilometer entfernt von Teheran, wo sie sich eines Tages kennenlernten. Meine Mutter war damals dreizehn, mein Vater zweiundzwanzig Jahre alt, als die Verlobung stattfand. Da meine Mutter nicht volljährig war, konnten meine
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