Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Auge um Auge - Ein Verehrer schuettete mir Saeure ins Gesicht Jetzt liegt sein Schicksal in meiner Hand

Titel: Auge um Auge - Ein Verehrer schuettete mir Saeure ins Gesicht Jetzt liegt sein Schicksal in meiner Hand
Autoren: Ameneh Bahrami
Vom Netzwerk:
Eltern noch nicht heiraten – schlossen aber einen nach muslimischem Recht gültigen Ehevertrag.
    Meine Mutter war noch sehr jung, als Schirin geboren wurde. »Wir wussten damals kaum, wie uns geschah«, sagte mein Vater. »Uns war nur klar: Jetzt haben wir ein Kind. Deine Mutter war noch so jung, dass sie kaum wusste, was sie mit dem Winzling anfangen sollte.« Er schmunzelte. »Nun, die Zeit verging, und als deine Mutter achtzehn wurde, haben wir geheiratet. Und damals entschieden wir uns ganz bewusst für ein zweites Kind. Also für dich – und wir haben uns sehr auf dich gefreut.«
    Zu viert bezog unsere Familie bald ein Haus in einer Militärsiedlung in Teheran. Und als ich zwei Jahre alt war, schenkte Gott meinen Eltern einen Sohn, meinen Bruder Mohammad. Trotz des Altersunterschieds wurden wir bald ein Herz und eine Seele. Wir waren unzertrennlich, heckten Tag und Nacht gemeinsam Streiche aus und wurden meist auch gemeinsam dafür bestraft.
    Mein Vater kaufte uns ständig Bücher. Er las gerne und viel und hatte ganze Regale voll zu Hause. Auch uns drängte er immer wieder zur Buchlektüre. So mussten wir Gedichte lesen – die weltberühmten Dichter zum Beispiel, Hafez, Sa’adi, Maulana, Khayyam. Oder Vater las uns vor, auch aus dem Koran. Ich weiß noch, wie gern ich die zwölfte Sure über den Propheten Yusuf hörte und dass ich meinen Vater oft gefragt habe, ob Yusuf denn schön war. Er bestätigte mir jedes Mal: »Ja, Yusuf hatte viele Begabungen und war wunderschön. Der Prophet Mohammed hat einst über ihn gesagt: Gott hat die Hälfte aller Schönheit, die er der Menschheit gab, Yusuf zugedacht.«
    Im Gegensatz zu unserem Vater interessierte sich Mutter nie besonders für Bücher. Sie hatte mehr Freude an Musik und Tanz und sorgte auf ihre Weise für Abwechslung. Aber aufgehorcht habe ich immer, wenn mein Vater uns von Gott erzählte. Dann fiel immer der Satz »Gott ist schön«.
    »So schön wie meine Cousine Mahnaz oder wie die Frau unseres Nachbarn?«, wollte ich anfangs genauer wissen.
    »Aber nein, Gott ist schöner als alles, was du dir vorstellen kannst.« Ich hakte nach. »Kann ich Gott denn sehen?«
    »Ja, das kannst du. Wenn du keine Dummheiten machst, auf deine Eltern hörst, keine Widerworte gibst, andere Leute höflich grüßt, kleine Kinder nicht schlägst, kein Obst aus fremden Gärten stiehlst, wirst du Gott eines Tages sehen. Dann wirst du erkennen, wie strahlend schön er ist.«
    Dass meine Hoffnung auch enttäuscht werden könnte, davon hat mein Vater mir nichts gesagt. Ich bemühte mich nach Kräften, brav zu sein, niemandem Kummer zu machen, um meiner Vorstellung von Gott so bald wie möglich ein Gesicht geben zu können. Noch stellte ich ihn mir ja ähnlich schön vor wie die Figuren, die ich aus Zeichentrickfilmen kannte. Oder wie Zorro, der allen Menschen half und so viel Gutes tat. In meinem Kinderkopf kam immer wieder eine Frage auf: Wenn Zorro seine Maske abnähme, käme dann wohl Gott zum Vorschein?
    Die Zeit verging, ich wuchs heran. Meine Haut war mittlerweile nicht mehr ganz so dunkel, die Augen und Haare nicht mehr ganz so rabenschwarz wie früher, und ich wirkte weit weniger bedrohlich auf meine Spielkameraden, als es anfangs der Fall gewesen war. Allerdings hielt man mich damals nicht selten für einen Jungen: »Hey, junger Mann, mach mal Platz da!« oder »Na, na, na, nicht ganz so wild, junger Mann!«, bekam ich oft zu hören. Mein Protest traf auf taube Ohren. »Du siehst aus wie ein Junge, also bist du auch einer.«
    Immerhin war ich nicht zu übersehen. Denn zu jener Zeit war ich so dick, dass meine Großmutter mich nie bei meinem Namen rief. Für sie war ich immer nur Topoli, ihr Pummelchen, und ich musste entsprechend viel Spott ertragen – beispielsweise wenn ich regelmäßig die Zweikämpfe mit meinem Bruder verlor. »Lauft mal wieder um die Wette, damit wir etwas zu lachen haben!«, forderten die Verwandten uns oft heraus. Irgendwann war ich die ewigen Sticheleien leid und nahm mir vor, es ihnen eines Tages schon noch zu zeigen!
    Tatsächlich ging ich aus dem nächsten Wettlauf als strahlende Siegerin hervor! Auch wenn es Ärger mit Spielkameraden gab, zogen die meist den Kürzeren. Wer Streit mit mir suchte, musste mit Gegenwehr rechnen. Einen Jungen aus Omas Nachbarschaft schlug ich eines Tages so heftig, dass er am Kopf blutete. Meine Großmutter musste sich bei den Nachbarn entschuldigen und stellte mich gleich darauf zur Rede: »Was fällt dir ein,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher