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Aufzeichnungen eines Schnitzeljägers

Aufzeichnungen eines Schnitzeljägers

Titel: Aufzeichnungen eines Schnitzeljägers
Autoren: Bernhard Hoëcker
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Lebensgefahr verzogen hatte, also die Taube weggeflogen war, konnten wir sicher zum Reflektor hinübergehen. Wir zitterten so sehr, dass der Boden die ganze Zeit raschelte und mit Sicherheit kein Tier unsere Nähe suchte. Die Erdbebenwarte des Taunus-Observatoriums rund 30   Kilometer entfernt verzeichnete garantiert einen messbaren Ausschlag auf ihren Seismografen. Langsam beruhigten wir uns. Der Wert war notiert, die Schnitzeljagd konnte weitergehen.
    Noch während wir uns nicht ganz im Klaren darüber waren,wie lange unsere Körper diese Belastung noch durchhalten würden, näherten wir uns einer Kreuzung. Hier trafen wir auf einen breiten Weg, an den sich eine große Wiese anschloss, sodass ein ausreichend großer Trennstreifen zwischen uns und der Gefahr vorhanden war. Das Ganze wirkte sehr beruhigend. Wir entspannten uns, der Blutdruck rutschte wieder unter den gewohnten systolischen Wert von 210, und auch in den Herzschlag kehrte Ruhe ein. Wir fingen an, die Tour richtig zu genießen. Wir bemerkten, der Mond war aufgegangen, die goldnen Sternlein prangten am Himmel hell und klar. Wir blickten uns um, und der Wald stand schwarz und schwieg, und aus den Wiesen stieg der weiße Nebel wunderbar.
    Die Stationen 5 und 6 fanden wir problemlos. Wie auf Drogen schwebten wir erleichtert und angstfrei über den Kies und wissen im Nachhinein auch nicht mehr ganz genau, wie und wo wir sie entdeckt haben. Ja, sogar der Empfang wurde besser, wir hatten wieder unsere gewohnten sechs bis zwölf Meter Abweichung. Dann der Schock: Wenn wir zu Station 1 zurückgehen wollten, um den noch fehlenden Wert F zu ermitteln, blieb uns keine Wahl. Ab vom Weg des Glücks, hinein in den Wald des Grauens. Noch von guter Restlaune benebelt, bogen wir den nächsten Weg ab, zurück in den Wald. Die Bäume ragten rechts und links von uns wie dunkle Schattenmonster auf. Das Grauen wurde sichtbar. Erneut verlangsamten wir aus Angst unsere Schritte, um sie gleich darauf, ebenfalls aus Angst, wieder zu beschleunigen. Wenn nicht der Empfang weiterhin so gut gewesen wäre, hätten wir geglaubt, eben nur einen Traum erlebt zu haben.
    Ich leuchtete in den Wald – und da sah ich sie. Direkt vor mir, keine zehn Meter entfernt: zwei leuchtende Punkte. Sie waren direkt über der Erde, sie waren direkt nebeneinander, und sie bewegten sich. Wir erstarrten. Ich konnte nur noch ein «Dsntir»(«Da ist ein Tier», mit zusammengebissenen Zähnen und vor Schreck starrer Zunge) herausquetschen. Tobi konnte nur: «Dsntir» . («Da ist ein Tier», mit zusammengebissener Ohrmuschel und vor Schreck starrem Trommelfell) verstehen.
    Uns war klar, dass jetzt alles aus war. Wildschweine haben für ihre Jungtiere eine Art Nest oder Bau. Da liegen dann die Frischlinge drin, von den Eltern beschützt. Das Muttertier bleibt bei den Kleinen, bereit für den Frontalangriff, der Eber versteckt sich irgendwo im Wald und ist für den Hinterhalt zuständig. Tobi und ich gaben uns geschlagen. Wir blieben starr auf dem Weg stehen, hielten uns an den Händen und sagten uns, wie lieb wir uns doch eigentlich hätten und dass das alles nicht so gemeint gewesen sei. Wir weinten, ohne Tränen zu vergießen. So harrten wir des Angriffs.
    Der kam dann auch, und zwar genauso überraschend, wie wir ihn erwartet hatten, nur doch wieder irgendwie anders. Das Tier sprang auf, wir schlossen die Augen, hörten Schritte   … die sich entfernten. Wir öffnete die Lider und sahen es – das Reh. Davor hatten wir Angst gehabt? Pah! Wir lachten laut, waren vor Erleichterung wie beschwingt, gingen scherzend weiter. Eines war klar: Das mit dem Liebhaben war totaler Quatsch gewesen, zumindest von meiner Seite, und ich sagte Tobi, er möchte doch jetzt bitte meine Hand loslassen.
    An unserer Ausgangskoordinate angekommen, mussten wir noch eine ganze Weile suchen, was ziemlich frustrierend war. Wir liefen aus wirklich jeder Richtung auf die Koordinaten zu, um auch ja keine Ausrichtung des Reflektors zu übersehen. Wir leuchteten jedes Blatt von beiden Seiten an, wir liefen querfeldein und querfeldaus, wir überlegten sogar, aus einem Flugzeug abzuspringen, um die Suche von oben anzugehen, damit sie erfolgverheißender war. Aber wir blieben erfolglos. Enttäuscht setzten wir uns auf unseren schon lieb gewonnenen Holzstapel.Ein wenig war es wie nach Hause kommen. Tobi kramte noch einmal die Cachebeschreibung hervor, und wir lasen die Logbucheinträge der anderen Cacher. Da, einer schrieb, dass er diese
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