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Aufzeichnungen eines Schnitzeljägers

Aufzeichnungen eines Schnitzeljägers

Titel: Aufzeichnungen eines Schnitzeljägers
Autoren: Bernhard Hoëcker
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Station auch nicht gefunden habe, aber durch einen logischen Schluss weitergekommen sei. Einen logischen Schuss? Logisch, hier war Schluss, aber das konnte er nicht gemeint haben. Wir machten uns an die Analyse der Gesamtsituation: Eigentlich fehlte uns nur die letzte Ziffer des Ostwertes. Bei festem Nordwert musste sich die richtige Koordinate irgendwo zwischen 0 yy° yy.yy0 und 0 yy° yy.yy9 befinden. Das war eine gerade Linie von ungefähr 100   Metern. Die müssten wir im Grunde nur abschreiten und dabei mit den Taschenlampen herumleuchten. Genau das machten wir auch.
    Die Begeisterung und Vorfreude hatten unsere Ängste vollständig verdrängt, zumal wir in der Zwischenzeit jede Ecke kannten, schließlich hatten wir jede Baumwurzel schon mal gesehen und konnten jedes Geräusch mit Frequenzmuster einordnen. Außerdem hatten wir Glück. Wir waren keine fünf Minuten auf der Linie entlanggelaufen, da strahlte es uns aus dem Wald entgegen. Wir waren hellauf begeistert, rannten hin, berührten den Reflektor wie eine Götzenstatue. JA, es war wirklich möglich, ohne F hierherzugelangen. Schon fingen wir an zu suchen, wir gruben den Boden um, entwurzelten Bäume, versetzten Berge. Bei einer dieser Aktionen fiel mein Blick mehr zufällig als absichtlich von unten auf den Reflektor. Da war doch was. Ein Deckel. Der Reflektor war eine Filmdose. Angstvoll öffnete ich die Dose, und ein Zettel mit neuen Koordinaten fiel heraus.
    Offenbar waren wir noch immer nicht am Ziel. Dabei stand das gar nicht in der Beschreibung, und auch keiner der anderen Cacher hatte davon berichtet: Wir hatten ein weiteres Problem vor uns. Nur war es diesmal größer. Denn bei den Koordinaten waren bestimmte Stellen nur mit Buchstaben versehen. Bloßstand F diesmal nicht an letzter, sondern an DRITTletzter Stelle. Sollten wir nach dem gleichen Verfahren vorgehen wie eben, ergäbe das eine Strecke von fast 1,5   Kilometern. Von unserer jetzigen Position auf F zu schließen war aufgrund des erneut schlechten Empfanges unmöglich. Wir brachen zusammen, erst mental, und als die Gefühle endlich unsere Beine erreichten, auch noch körperlich. Zweimal durch den Wald gerannt, und jedes Mal erfolglos – so etwas hinterlässt an jedem Körper Spuren.
    Das konnte, nein das durfte nicht wahr sein. Das zweite Erlebnis dieser Art an einem Tag.
    Wie viel erträgt eigentlich der menschliche Geist, bevor er sich dem Wahnsinn hingibt? Da startet man mit so viel Hoffnung und so viel Zuversicht in dieses Abenteuer, und am Ende bleibt einem nichts als ein zersplittertes Gemüt, eine zerborstene Seele. Die Einzelstücke liegen auf dem ganzen Weg verteilt, denn von Station 1 bis 6 verliert man überall ein bisschen was. Nur leider merkt man es erst, wenn man am Ende danach sucht, weil man es letztlich doch dringend braucht.
    Wir schleppten uns mal wieder zum Auto. Doch schon als wir im sicheren Wagen saßen, den dunklen Wald hinter uns, und das Schnurren der sechs Zylinder uns ein Gefühl der Sicherheit vermittelte, wussten wir: JA, WIR KOMMEN WIEDER. Dann ist Station 1 reif, und wir werden den Cache zur Strecke bringen. Wir waren uns einig, fuhren los und fassten uns dabei an den Händen.

NACH-VORWORT 82
    Nicht selten in der Geschichte der Literatur ist es vorgekommen, dass eine Monografie eines großen Meisters durch die Worte eines ebenso großen Meisters seines Faches eingeleitet wurde, um den geneigten Leser auf das Werk, die Kompetenz und die Eloquenz des Autors einzustimmen.
    Nichts davon ist hier der Fall. Weder möchte ich mich selbst für einen wahren Meister des geschriebenen Wortes oder des Tupperdosensuchens ausgeben, noch steht dieses Vorwort vermutlich dort, wo man es vermutet, nämlich am Anfang dieses Kompendiums. Die Fähigkeiten des Verfassers stelle ich selbstverständlich nicht in Abrede; befinde ich mich doch im Verhältnis einer wirtschaftlichen Abhängigkeit. Ich arbeite für ihn.
    Als mich B.   H. ermunterte, einige Zeilen zu diesem Buch beizusteuern, war ich mir der Ehre durchaus bewusst. Allerdings bin ich Realist und rechnete eher mit der Bitte, die Fußnoten neu durchzunummerieren, als dem einzigen mir vergönnten literarischen Vermächtnis.
    Als ambitionierter Amateurfotograf versuchte ich bereits möglichst viele meiner Bilder zu dieser Veröffentlichung beizusteuern. Dabei galt die Prämisse: Natürlich, spontan und laienhaft sollten sie aussehen. Dazu fühlte ich mich befähigt. Von dem Titelfoto stammt immerhin noch der rechte
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