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Aufzeichnungen eines Schnitzeljägers

Aufzeichnungen eines Schnitzeljägers

Titel: Aufzeichnungen eines Schnitzeljägers
Autoren: Bernhard Hoëcker
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Zeigefinger von mir. Der Rest ist wahrscheinlich von amphetaminabhängigen Photoshopjunkies aus diversen Datenbanken neu generiertworden. Somit war für mich relativ schnell klar, dass ich wohl eher nicht den neuen Pirelli-Kalender des Geocachings abgelichtet hatte. Obwohl das mir zur Verfügung stehende Modell zumindest oberhalb der Augenbrauen recht viel Haut zu zeigen bereit war.
    Abgesehen davon, dass B.   H. und ich berufsbedingt jede Raststätte dieser Republik am Geruch erkennen können, haben wir mittlerweile einen tieferen Sinn in diesen Reisen gefunden, neben dem Beruf versteht sich. Uns verbindet, ebenfalls neben dem Beruf natürlich, die Liebe zu Natur, Technik und schottischen Fastfoodketten. Um diesen Leidenschaften, möglichst im Zusammenhang mit dem Beruf natürlich, zu frönen, haben wir das optimale Hobby entdeckt: Geocachen. Endlich haben mehr oder weniger erwachsene Menschen wieder einen Grund, zu allen Tages- und Nachtzeiten querfeldein durch die schönsten Wälder zu streifen und dabei nicht auf eher pazifistisch veranlagte Wildschweine und Rebhühner schießen zu müssen.
    Allerdings lässt sich nicht leugnen, dass sich die Vorlieben für duftende Nadelwälder und putzig piepende Mikroprozessoren teilweise widersprechen. So beobachte ich beispielsweise an Herrn H. die Tendenz, unter Zeitdruck jede noch so unscheinbare Höhenlinie auf dem GP S-Display als legal befahrbare Straße zu deuten. Diese fragwürdige Auslegung wird selbst nach dem Passieren relativ eindeutiger Waldbeschilderungen nicht hinterfragt. «Parkplatz» bedeutet in dem Fall der letzte noch zu befahrende Punkt mit dem geringsten Abstand zum Ziel (Luftlinie), an dem man entweder gerade noch wenden kann oder höchstens drei Kilometer im Rückwärtsgang über Wurzelwerk zurückfahren muss. Diese aus forstwirtschaftlicher Sicht unmoralischen Fehltritte möchte ich IHM natürlich wieder abgewöhnen! Ein weiteres Problem besteht darin, dass der Zeitdruck inder Regel aus einer berufsbedingt terminlichen Verpflichtung entsteht. Will heißen, wir müssen zu einer bestimmten Zeit in einem bestimmten Theater sein.
    Die üblichen gegenseitigen Argumente   – Er: «Du wirst ja wohl mal mit einer Viertelstunde weniger auskommen, deine Kollegen schaffen den Soundcheck auch immer viel schneller.» Ich: «Du bist der Chef, befiehl mir gefälligst, erst noch diesen verdammten Cache zu finden» – führen meist zu einer kalkulierbaren Verspätung von mindestens einer Stunde. Diese gilt es dann vor allen anderen beteiligten Parteien zu rechtfertigen. Ich befürchte, die Standardausrede von The Brain Bernhard – «Wir stehen im Stau und kommen eine Stunde später an. Bereitet schon mal alles vor!» – haben die Informierten allerhöchstens ein einziges Mal geglaubt. Verlangen wir doch von ihnen, das telefonisch inszenierte Szenario MEGASTAU mit dem zwangsläufig ebenfalls telefonisch übermittelten massiven Vogelgezwitscher, kreischenden Kettensägen zufällig anwesender Waldarbeiter und sonorem Blätterrauschen mental in Verbindung zu bringen. Stehen wir dann mit unseren Bergstiefeln völlig schlammverkrustet und fürchterlich schwitzend im Theater, hilft es mir meistens, mich auf die extravaganten Allüren des Künstlers zu berufen, die mal wieder mein pünktliches Erscheinen zur Arbeit verhindert haben. Ihm würde wohl nur eine noch bessere Ausrede helfen.
    Sobald Menschen versuchen, mit ihrem Umfeld nur noch über Bluetooth, WLAN und Co. zu kommunizieren, obwohl es ein einfaches Gespräch wahrscheinlich auch täte, darf man sie liebevoll als «Techi» bezeichnen.
    In jenen Momenten, in denen B.   H. im Fond des geländegängigen Cachemobils gerade mittels Google Earth per UMTS die nächste Location anpeilt, gleichzeitig die Daten mittels USB in seinen GP S-Empfänger überträgt, während er seiner Frau eineGute-Nacht-Wir-fahren-ins-Hotel-und-nicht-mehr-in-den-Wald-SMS schreibt, dabei die Cachebeschreibung zwecks Paperless-Cachens im PDA zwischenspeichert, kann die Kommunikation schon mal ein wenig holprig verlaufen. Meistens werden die Antworten auf meine Fragen hinter einem grummelnden «Ich hab’s gleich   …» getarnt. Ich finde sie nur nie.
    Einen Techi und speziell diesen, von dem hier die Rede ist, zeichnet ganz pragmatisch Folgendes aus: Beim Verlassen seines Automobils entlädt er automatisch eine stattliche Anzahl von Netzteilen, Kabeln und sonstigen vor Elektrosmog nur so strotzenden Geräten auf die Fahrbahn.
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