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Aufzeichnungen eines Schnitzeljägers

Aufzeichnungen eines Schnitzeljägers

Titel: Aufzeichnungen eines Schnitzeljägers
Autoren: Bernhard Hoëcker
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waren total fertig. Jeder murmelte irgendetwas Unverständliches vor sich hin: «Das kann nicht sein!» – «Wir waren soo nah dran!» – «Mist!» und «Verdammt!» waren die Worte, die jeweils in anderen Kombinationen in unseren Sätzen vorkamen. Schweigend stiegen wir dann in den Wagen, ich startete den Motor, und wir fuhren weiter meinem Auftrittentgegen. Die Sonne strahlte uns durch die fliegenverschmierte Windschutzscheibe an. Und während sich das gesamte Lichtspektrum dieses feurigen Himmelskörpers in den bereits angetrockneten Innereien und Chitinresten der Insekten brach, keimte Hoffnung in uns auf. Heute Nacht wartete ein weiterer Schatz auf uns, und der, ja, der würde uns zum Sieg verhelfen, was uns über die ganze Cacherwelt triumphieren ließe!
     
    Genau so war es. Also fast. Zumindest war es Nacht, als wir den Cache anpeilten. Wie immer beginnt die allgemeine Anfangsbeschreibung dieses Erlebnisses mit den Worten «Eigentlich war es ein einfacher Cache   …»
    Okay, los geht’s: Eigentlich war es ein einfacher Cache mit sechs Stationen. Für alle waren die Koordinaten angegeben, wir konnten uns die Reihenfolge also selbst aussuchen. Überall waren Reflektoren zu finden, an denen Buchstaben angebracht waren, denen man Zahlen zuordnen sollte. Zum Beispiel G = 7.   Später ging es dann zu 50° 33.FGE, dort sollte der Final liegen. In den Logs lasen wir die verschiedenen Hinweise, dass die erste Station und damit F wohl recht schwer, aber doch irgendwie zu knacken sei. Da wir natürlich ganz besondere Cacher waren, sollte das für uns kein Problem sein. Wir hatten uns den Cache bereits vorher ausgesucht. Auch er lag ganz in der Nähe der Autobahn. In einem Areal von 300 mal 300   Metern waren die Stages zu finden.
    Nachdem die Arbeit beendet war und wir sämtliche Auftritts- und Technikutensilien wieder in den Wagen gepackt hatten, waren wir bereit. Auf dem direkten Weg fuhren wir zum angegebenen Parkplatz. Der war tatsächlich leicht zu finden, und wir stellten uns direkt neben der Straße halb ins Gebüsch, gleich bei einem Forstweg, der von der beleuchteten Straße in den Wald hineinführte. Jetzt nur noch kurz die Taschenlampen gecheckt,den Klappspaten 80 geschultert und auf in den Wald. Wir hatten höchstens 200   Meter bis zur ersten Station zu gehen, doch der Wald lag fernab jeder Siedlung, und es war alles ziemlich einsam. Nach etwa fünf Metern blieben wir stehen. Nicht bewusst. Es passierte vielmehr einfach so. Erst verlangsamte der eine seinen Schritt, danach nahm der andere etwas Tempo aus der Bewegung, wir gingen hier etwas ruhiger, hielten da inne. Und plötzlich standen wir. Mitten im Wald, ganz alleine, nur WIR und DIE ANGST.
    Es war genau wie jedes Mal. Und jedes Mal wollten wir uns von neuem genau dieser Angst aussetzen. Vielleicht würden wir uns ja irgendwann an sie gewöhnen. Aber jedes Mal verfluchten wir uns genau dafür, dass wir uns dieser Angst aussetzen wollten. Und wie immer war es wieder einmal zu spät zum Umkehren.
    «Hast du auch Angst?», kam es mit einem leisen Flüstern von links.
    «NNNNNja», kam es noch etwas leiser von mir.
    Plötzlich ein Knacken auf der linken Seite, und wir schraken hoch. Die innere Anspannung war gelöst, die Angst zwar geblieben, aber wir gingen weiter. Schritt für Schritt sangen wir laute Lieder. «Wir haben keine Angst, LALALALA, wovor auch LALALA? Vielleicht vor Rehen, LALALA. Aber die haben mehr Angst vor uns, LALALA. Hoffen wir nur, dass die das wissen, LALALA.»
    Wieder und wieder überlegten wir, welche abgefahrenen, eiskalten Menschen das sein müssen, die diesen Nachtcache alleine heben. Wer sterben will, hat bestimmt andere Möglichkeiten. Und wer den Kick sucht, kann doch auch U-Bahn -surfen, das ist bei weitem nicht so gefährlich. Außerdem muss der Körper dabei nur ein Zehntel so viel Adrenalin produzieren.
    Endlich waren wir an der ersten Station angekommen, einer Wegkreuzung. Noch nicht ganz, aber für uns ausreichend mitten im Wald. Wir mussten stehen bleiben, um den ersten Reflektor zu suchen, aber das führte nur dazu, dass wir wieder Angst bekamen. Singen ging auch nicht mehr, denn wir mussten uns ja auf die Koordinaten und die Suche konzentrieren, zumal auch die Genauigkeit mit 20   Metern Abweichung erschreckend schlecht war. Während wir uns so ängstigten und nebenbei suchten, wurden wir plötzlich eines Holzstoßes gewahr, eines dieser Dinger, auf denen Väter ihre Kinder balancieren lassen, um anschließend
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