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Aufgedirndlt

Aufgedirndlt

Titel: Aufgedirndlt
Autoren: Jörg Steinleitner
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sich die Polizistin um und ging in den Fitnessraum im Keller der Dienststelle. Nach einer Dreiviertelstunde fühlte sie sich völlig ausgepowert. Mit einer Apfelschorle in der Hand nahm sie an ihrem Tisch im Dienstzimmer Platz und studierte noch einmal aufmerksam die gesammelten Akten zu dem Fall. Unversehens stieß sie dabei auch auf die Seite mit der rechtsmedizinischen Beschreibung des Zustands von Madleen Simons Leiche. Im Gutachten las sie, dass an der Hand der Toten Schmauchspuren gefunden worden waren. Schmauchspuren, die vom Gebrauch einer Schusswaffe stammen mussten. Das hatte sie völlig vergessen. War dies nicht eine Information, die sie zumindest einen kleinen Schritt weiterbringen konnte?
    Vor der nächsten Vernehmung veranlasste Anne eine ärztliche Untersuchung des Verdächtigen Silvio Massone. Und tatsächlich stellte der Kollege von der Rechtsmedizin eine frische Vernarbung am Oberschenkel des Pizzabäckers fest, eine Narbe, die »mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit« – so umständlich drückten sich nur Ärzte und Anwälte aus – von einem Streifschuss stammte.
    Endlich hatten die Ermittler etwas in der Hand, um den Italiener unter Druck zu setzen. Natürlich konnte Massone keine glaubwürdige Begründung für die frische Narbe liefern.
    »Sie sagen, dass Madleen Simon freiwillig Sex mit Ihrem Kumpel hatte.« Der Pizzabäcker zuckte gleichgültig mit den Schultern. »Aber ich habe da eine ganz andere Theorie«, fuhr Anne fort. Mit festem Blick fixierte sie den mutmaßlichen Täter. »Ich glaube, dass Sie Frau Simon mit einer Waffe zum Sex gezwungen haben. Und dass sich dabei ein Schuss gelöst hat, der Sie verletzt hat.«
    Noch immer lächelte der Italiener die Polizistin höhnisch an und erwiderte in seinem gebrochenen Deutsch: »Iche habe mit alles nixe zume tun.«
    Ohne auf seine Erwiderung einzugehen, ließ Anne nun eine Theorie vom Stapel, die den zwischendurch wieder halbwegs beruhigten Sebastian Schönwetter – vor allem auch wegen Annes gutem Einfall mit den Schmauchspuren – erneut an der geistigen Gesundheit der Polizistin zweifeln ließ und Kastner obendrein die Schamesröte ins Gesicht trieb.
    Anne sagte nämlich: »Doch, Herr Massone, dass Sie verletzt wurden, ist ja gar nicht alles. Wie Ihr Freund Tom Garner wollten nämlich auch Sie Sex mit Madleen Simon. Aber die Sache lief nicht so, wie Sie sich das vorgestellt hatten. Madleen Simon war nämlich eine starke Frau. Stärker als Sie. Sie hat sich gewehrt. Sie hat auf Sie geschossen. Und weil Sie ein Problem mit starken Frauen haben, haben Sie – im Gegensatz zu Ihrem Freund – am Ende keinen hoch bekommen!«
    Silvio Massone starrte die Polizistin an, als hätte sie ihm mitgeteilt, dass seine Frau und sie Lesben seien und demnächst heiraten würden.
    Doch Anne fuhr fort: »Und ich sage Ihnen noch etwas: Der einzige Grund dafür, dass von Ihnen keine Spermaspuren am Tatopfer zu finden sind, ist der, dass Ihr kleiner Pipipeter«, Anne hielt Zeigefinger und Daumen ihrer rechten Hand etwa ein Daumenbreit auseinander, »schlaff war wie eine rohe Thüringer. Mein lieber Herr Massone, Sie konnten einfach nicht, Ihre Manneskraft hat versagt!«
    Triumphierend stellte Anne fest, dass Massone sich zutiefst provoziert fühlte. Seine Lässigkeit von gerade eben war verschwunden. Aus seinem Blick sprach die Mordlust eines Raubtiers. Doch noch schwieg er. Ein bisschen mehr Öl noch, dachte sich Anne, dann haben wir ein loderndes Feuer der Wahrheit. Beinahe reglos beobachteten Schönwetter und Kastner die verbalen Schachzüge ihrer Kollegin.
    »Haben Sie sonst auch Potenzprobleme?«, stichelte Anne weiter. Dann wandte sie sich Schönwetter und Kastner zu. »Vielleicht sollten wir seine Frau vorladen?«, schlug sie vor. »Die kann uns sicherlich etwas zu den Steherqualitäten von Signore Silvio Massone sagen, was meint ihr?«
    »Meine Frau bleibte ausse Spiel!«, fuhr jetzt endlich der Verdächtige dazwischen.
    »Ihre Frau bleibt eben nicht aus dem Spiel. Sepp, geh raus und schick zwei Kollegen zu Frau Massone, ich möchte von ihr persönlich hören, wie das für sie ist, dass ihr Mann keinen hochkriegt.«
    »Iche kriege alles hoch!«, rief der Italiener. Er war jetzt vollkommen außer sich wegen all der Beleidigungen, die die junge Polizistin ihm zugefügt hatte.
    Minuten später hatten die Ermittler ein Geständnis, das den Fall zwar nicht löste, aber sie doch ein großes Stück weiterbrachte. Es dürfte sich hierbei um eines der
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