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Aufgedirndlt

Aufgedirndlt

Titel: Aufgedirndlt
Autoren: Jörg Steinleitner
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Kollegen Sepp Kastner – blond, breite Nase, immer auf Frauensuche – vorzufinden. Der studierte als Nonnenmachers Untergebener bereits seit mehreren Jahren die Eigenheiten des Polizeichefs und wusste, wie und wann man sich idealerweise vor ihm in Sicherheit brachte.
    Nonnenmacher saß an seinem Platz und schaufelte aus einer roten Plastikbrotzeitdose kalten Reis in sich hinein – eine von vielen Diäten, die die fürsorgliche Gattin dem sensiblen Magen des Dienststellenleiters verordnet hatte. Diese Fastenkur, an der Nonnenmacher nun schon eine ganze Weile festhielt, entstammte einer Frauenzeitschrift.
    Kastner indes stand vor dem Schreibtisch der Reis verschlingenden Wildsau und las aufmerksam das Blatt Papier, das jene – also Nonnenmacher – ihm gereicht hatte.
    »Ts, ts, ts«, kommentierte Kastner, was Anne kurz an die Pumuckl-CD erinnerte, die sie am Morgen mit ihrer siebenjährigen Tochter Lisa zum gefühlten zwölftausendsten Mal angehört hatte; jedes Wort kannte Anne auswendig. Der Ersatzvater des Kobolds, Meister Eder, machte auch immer »ts, ts, ts«, wenn er Zeitung las. Wie Pumuckl in dem Hörspiel fragte Anne Loop leicht genervt: »Was ›ts, ts, ts‹?«
    Ehe Kastner antworten konnte, brach es aus Kurt Nonnenmacher hervor: »So ein scheiß Scheich aus Ada Bhai will den Sommer bei uns verbringen.« Er stierte Anne vorwurfsvoll an. »Ausgerechnet bei uns!«
    »Na und?«, meinte Anne verständnislos, denn dass Scheichs an ihrem schönen See oder auch sonst in Bayern Urlaub machten, war vollkommen normal und insgesamt eher zu begrüßen als ein Atomkraftwerk.
    »Na und, na und!«, bellte Nonnenmacher, wobei ihm ein Reiskorn auskam, welches nach einem eher flachen, bogenförmigen Flug auf Sepp Kastners Uniformhemd landete. Kastner warf seinem Chef einen genervten Blick zu und schnippte das Reiskorn auf den Boden. Währenddessen dachte er an seine alte Mutter, die das Hemd waschen und bügeln musste, denn Kastner wohnte trotz seiner achtunddreißig Jahre noch daheim.
    Nonnenmacher ließ sich durch das Flugmanöver nicht aus der Wut bringen, sondern röhrte weiter: »Nix ›na und‹. Das ist nicht irgendein Ölscheich, sondern das ist der Raschid bin Dingsbums, seines Zeichens Emir von Ada Bhai, so schaut’s aus, mein lieber Herr Gesangsverein!«
    Anne verstand noch immer nicht, was daran schlecht sein sollte, und meinte deshalb vorsichtig: »Aber das ist doch gut für unser Tal. Der Scheich wird sicher viel Geld ausgeben, und es werden weitere Urlauber aus dem Nahen Osten kommen, wenn es ihm hier gefällt.«
    »Um Gottes willen!« Nonnenmacher stöhnte theatralisch, während er seine Reisdose in der Schreibtischschublade verschwinden ließ. Vor seinem inneren Auge zeichneten sich Bilder des Schreckens ab: Gebetsteppiche auf bayerischen Berggipfeln, mit zahllosen Minaretten bestückte Moscheen an bayerischen Seen und in Vorhangstoffe gehüllte Frauen mit dämonischen Augen, so dunkel wie die Grillkohlebriketts aus dem Baumarkt.
    Als Sepp Kastner Annes fragenden Blick registrierte, erklärte er: »Der Kurt meint halt, dass da sehr hohe Sicherheitsvorkehrungen notwendig sein werden, wenn der Scheich da ist. Da werden mir den halben Ort absperren müssen. Jedenfalls will es das Innenministerium so. Hier steht« – Kastner las überdeutlich und mit wichtiger Miene aus dem ministeriellen Fax vor: »Es ist mit größter Sorgfalt dafür Sorge zu tragen, dass der hohe Staatsgast Raschid bin Suhail samt Familie und Dienerschaft mit allen den örtlichen Sicherheitskräften zur Verfügung stehenden Mitteln vor Gefahren, Risiken, Anschlägen et cetera geschützt wird. Raschid bin Suhail ist der Emir von Ada Bhai. In Bayern entspricht der Rang des Emirs dem eines Königs. Er ist somit mindestens unter Personenschutz der höchsten Gefährdungsstufe zu stellen, wenn nicht mehr.«
    »Das ist schlimmer, als wie wenn jetzt der König Ludwig leibhaftig vom Himmel herunterfahren tät’ und mir ihn in einem Luxushotel bewachen müssten«, brummte Nonnenmacher, der sich nun wieder etwas gefangen hatte und jetzt eher beleidigt als zornig klang.
    »Der Ludwig tät’ niemals in ein Luxushotel ziehen«, erwiderte Kastner überzeugt, »dem wär’ ein Schloss lieber, vielleicht sogar bloß eine feuchte Grotte.«
    »Der Ludwig hat unser Tal sowieso immer verschmäht«, meinte jetzt Nonnenmacher empört. »Ich glaub’, der war kein einziges Mal da.«
    Und Kastner ergänzte: »Es waren halt immer nur die Herzöge, denen unser
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