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Aufgedirndlt

Aufgedirndlt

Titel: Aufgedirndlt
Autoren: Jörg Steinleitner
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der Hass, der sie just in dem Moment überkommen hatte, als Garner ihr die Schlinge um den Hals gelegt hatte, dass es dieser Hass war, dem sie es zu verdanken hatte, dass sie noch am Leben war.
    Garner hätte sie umgebracht, das war klar. Und jetzt musste er vielleicht selbst sterben. Die Ärzte beurteilten seinen Zustand als kritisch. Der Tatverdächtige lag im Koma. Anne dachte an Garners Mutter. Sie hatte sie und Kastner belogen, natürlich hatte sie das! Womöglich wäre alles anders gekommen, wenn die Mutter zugegeben hätte, dass ihr Sohn sich auf dem Dachboden versteckt hatte. Dann wäre Anne niemals allein dort hinaufgegangen. Aber, das war auch klar: Anne hatte gegen die Vorschriften verstoßen. Niemals hätte sie sich allein in diese gefährliche Situation begeben dürfen.
    Anne hatte einen Fehler gemacht. Einen Fehler, den womöglich ein anderer mit dem Leben bezahlen würde.
    An Tag eins von Annes Zwangsurlaub knöpften sich Schönwetter und Kastner den zweiten Verdächtigen vor. Doch Silvio Massone leugnete hartnäckig, irgendetwas mit der Tat zu tun zu haben. Dies änderte sich auch nicht, als den Ermittlern das Ergebnis des DNA-Vergleichs vorlag. Zwar gab es keine genetische Übereinstimmung zwischen dem Speichel des Pizzabäckers und den an Madleen Simon festgestellten Spermaspuren. Aber die Haarprobe des im Koma liegenden zweiten Tatverdächtigen brachte ein eindeutiges Ergebnis: Tom Garner hatte in Madleen Simons Todesnacht mit ihr Sex gehabt. »Jetzt haben wir ihn«, hatte Kastner hervorgestoßen, als er von dem Ergebnis des Tests erfuhr, er war begeistert und erleichtert zugleich. Immerhin gab Silvio Massone jetzt zu, dass »sein Kumpel« mit Madleen Simon geschlafen habe. Aber das sei freiwillig gewesen. Und er selbst habe damit rein gar nichts zu tun.
    Die Ermittler glaubten ihm kein Wort.
    Am zweiten Tag nach Annes Ausraster staunte Sebastian Schönwetter nicht schlecht, als die Polizistin plötzlich im Vernehmungsraum stand.
    »Was wollen denn Sie hier, Frau Loop?«, fragte er.
    Anne registrierte genau den Tonfall, in dem der Kripochef sie ansprach: als hätte er ein unmündiges Kind vor sich, als wäre sie nicht ganz zurechnungsfähig.
    »Ich bin wieder okay«, antwortete Anne knapp. »Ich will bei den Vernehmungen dabei sein.«
    Schönwetter runzelte die Stirn. »Lassen Sie uns kurz rausgehen.« Und zu Silvio Massone gewandt sagte er: »Sie können in der Zwischenzeit eine rauchen, ich bin gleich wieder da.« Kastner blieb bei Massone, erhob sich aber und öffnete das Fenster.
    Nachdem er die Tür geschlossen hatte, redete Schönwetter eindringlich auf seine Kollegin ein. »Frau Loop, Sie sollten jetzt erst einmal zur Ruhe kommen. Das war sehr viel auf einmal für Sie. Sie müssen sich schonen. Sie wären bei dem Einsatz fast ums Leben gekommen.«
    »Mir geht es wieder gut«, erwiderte Anne trotzig. »Ich will dabei sein.«
    »Sie sind traumatisiert. Schauen Sie sich doch bitte Ihren Hals an! Der Mann hätte sie fast umgebracht. Und Sie …« Er vollendete den Satz nicht.
    »Und ich?«, fragte Anne vorwurfsvoll. Ihr Hals wies tatsächlich schlimme Schürfungen auf und Würgemale in den Farben Violett, Blau und Gelb. »Sie glauben wohl, dass ich ausgerastet bin, wie? Dass ich nicht ganz dicht bin? Bin ich aber. Ich kann klar denken. Ich will hier mitmachen.«
    »Ich kann dafür aber nicht die Verantwortung übernehmen«, antwortete Schönwetter hilflos. »Wenn Sie traumatisiert sind …«
    »Ich übernehme die Verantwortung dafür. Ich allein. Ich kann das«, sagte Anne und ging, ohne auf Schönwetter Rücksicht zu nehmen, in den Vernehmungsraum, wo sie sich auf den Stuhl neben Sepp Kastner setzte, der sie mit einer Mischung aus Zärtlichkeit und Befremden anblickte. Zögerlich folgte Schönwetter der jungen Frau und nahm ebenfalls Platz.
    »Er sagt, dass das Opfer freiwillig mit dem Garner Sex gehabt hat«, brachte Kastner Anne auf den Stand der Ermittlungen.
    »Und was ist mit dem Liquid Ecstasy, das Frau Simon im Blut hatte?«, ging Anne den Italiener scharf an, woraufhin der nur cool mit den Schultern zuckte und ihr Rauch ins Gesicht blies.
    »Weiß ich nix von.«
    Der Rest der Vernehmung brachte die Ermittler auch keinen Schritt weiter. Silvio Massones Auftreten blieb arrogant, zur Sache äußerte er sich nicht, und wegen seines machohaften Getues hätte Anne ihm am liebsten die Fresse poliert. Da sie aber schon einmal ausgerastet war, hielt sie sich zurück.
    Direkt im Anschluss zog
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