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Auf Schreckenstein geht's lustig zu

Auf Schreckenstein geht's lustig zu

Titel: Auf Schreckenstein geht's lustig zu
Autoren: Oliver Hassencamp
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Einfall ist für Mädchen fast zu gut“, sagte Stephan frech, um zu prüfen, ob sie nicht vielleicht doch einen Verdacht gegen ihre Freunde hege.
    Aber das schien Sonja den beiden in Anbetracht der finsteren Nacht und des unbekannten Gebäudes doch nicht zuzutrauen. „Unterschätzt die Mädchen nicht! Zwei waren es, und die müssen jetzt jeden Tag Kartoffeln schälen“, fuhr sie fort.
    „Ja, wie denn?“ verquasselte sich Stephan beinahe.
    „Ach“, sagte Sonja, „sie haben’s zwar noch nicht zugegeben, aber man weiß, dass sie’s waren.“
    „Ja ja, immer dies Kartoffelstrafen!“ klagte Ottokar scheinbar voller Anteilnahme. „Dabei finde ich den Streich ausgesprochen witzig.“
    „Das schon“, antwortete Sonja, „aber unsere Direktorin ist eben nicht euer Rex!“ Stephan und Ottokar nickten stumm. Sonja nahm die Pause zum Anlass, sich zu verabschieden: „Ja, ich muss noch zu meinem Vater und dann schleunigst wieder rüber. Bei mir sind’s eben doch über 5000 Ruderschläge“, sagte sie lachend und ging davon.
    Die Jungen schauten ihr nach. „Dass sie mitgezählt hat, finde ich aber ganz toll“, bemerkte Ottokar anerkennend.
    Stephan antwortete nicht gleich. Er schien nachzudenken. Erst nach einer Weile fragte er: „Du! Was hältst du denn von der Sache?“
    „Hm. Zu dumm!“ antwortete Ottokar.
    Stephan nickte abwägend vor sich hin: „Der Streich war gut, ohne Zweifel. Dass aber zwei Unschuldige darunter zu leiden haben — das geht nicht.“
    „Auch nicht, wenn’s Mädchen sind!“ bekräftigte Ottokar.
    „Sagen wir’s ihr, wenn sie zurückkommt?“ fragte Stephan.
    „Sonja? Nee! Solche Sachen müssen ohne Zwischenhändler erledigt werden. Die will womöglich gar nicht, dass wir rüberkommen.“
    „Und rüber müssen wir, das steht fest.“
     
    Ja, so waren sie, die Schreckensteiner. Sie leisteten sich weit mehr als alle ihre Kameraden in den Stadtschulen, und das konnten sie auch. Denn sie besaßen etwas, das die meisten ihrer Altersgenossen nicht hatten: eine ganz klare, offene Haltung. Die war ihnen von keinem Lehrer eingebleut worden, die hatten sie selbst gefunden, durch ihr Leben auf der Burg. Ihr Wahlspruch, zu dem sie sich seinerzeit in der Folterkammer bekannt hatten, hieß:
     
    „Ich will auf Schreckenstein
    allzeit fair und ehrlich sein!“
     
     

„In der Höhle der Löwin“
     
    Stephan und Ottokar wollten sich entschuldigen. Nur wann und wie war noch nicht klar. Um die Unschuldigen nicht länger leiden zu lassen, musste das bald geschehen. Vormittags war Unterricht, da ging es auf keinen Fall, blieb also nur der Nachmittag, und hier galt es einen glaubhaften Grund zu finden, um von der Kartoffelbuddelei freizukommen. Bei Beurlaubungen von Strafarbeiten sind Kameraden besonders hellhörig. Dennoch musste ein Vorwand gefunden werden. Weniger wegen des Rex, dem hätte man die ganze Geschichte ruhig erzählen können, als vielmehr wegen der anderen. Dass die beiden für ihre Tat einstehen wollten, hätten sie noch gefressen; dass sie aber in ein Mädchenpensionat gehen mussten, hätte ihnen allerhand Spott eingebracht. Und das wollten sie natürlich vermeiden. Wie schon so oft, hatte Ottokar die rettende Idee: „Der Rex hat doch gesagt, wir sollen uns was überlegen, womit wir Mauersäge eine Freude machen können.“
    „Ja und?“ brummte Stephan argwöhnisch.
    „Die machen wir ihm. Wir bauen ihm in seinem Jagdrevier einen Hochsitz.“ „Mensch“, sagte Stephan und boxte Ottokar auf die Brust, „das ist ja super. Da können wir jeden Nachmittag verduften!“
    Die Idee erwies sich als wirklich einzigartig, denn Mauersäges Jagdgründe umrahmten den See fast zu zwei Dritteln, so dass es gar nicht auffallen konnte, wenn sie mit dem Boot losfuhren.
    „Einverstanden“, sagte der Rex, nachdem sie ihm den Plan vorgetragen hatten, „fangt sofort an damit.“ Und mit einem verständnisvollen Lächeln fügte er noch hinzu: „Von der Kartoffelklauberei seid ihr selbstverständlich befreit.“
    Schon fünf Minuten später rannten sie, mit Beil und Säge bewaffnet, zum Bootssteg hinunter.
    „Wo wollt ihr denn hin?“ fragte Mücke, der mit anderen Neugierigen vom Acker herübergelaufen kam.
    „Wir sollen die Kartoffeln unter Wasser ernten; Auftrag vom Rex.“
    In Anbetracht der ernsten Lage wurden die Ruderschläge diesmal nicht gezählt. Stephan musste unwillkürlich an den Geschichtsunterricht denken, was bei ihm eine Seltenheit war. Wie hatte der Rex damals gesagt?
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