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Auf Schreckenstein geht's lustig zu

Auf Schreckenstein geht's lustig zu

Titel: Auf Schreckenstein geht's lustig zu
Autoren: Oliver Hassencamp
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Kaiser Heinrich der Vierte fuhr zu Papst Gregor nach Canossa, um sich selbst zu demütigen. Sogar die Jahreszahl fiel ihm wieder ein: 1077.
    „Weißt du, wie ich mir vorkomme?“ sagte er unvermittelt. „Wie Heinrich IV. auf der Fahrt nach Canossa.“
    „Ich glaube, du spinnst!“ antwortete Ottokar barsch. Als technisch begabter Junge lebte er ausschließlich in der Gegenwart und hatte für derlei Gedankensprünge wenig Verständnis.
     
    Drüben war alles still. Sie fuhren unter den Weiden durch und schauten zum Bootssteg hinüber — keine Menschenseele. Ohne ein Wort zu reden, machten sie den Kahn fest und stiegen den steilen Waldweg hinauf. Je näher sie der Lichtung kamen, desto mulmiger wurde ihnen. Aber sie waren Ritter, und für einen Ritter gibt es kein Zurück. Vorsichtig schauten sie zwischen den letzten Stämmen hindurch auf die Wiese. Keine Menschenseele. Nach ein paar Schritten tauchte das Schloss auf. Bei Tag besehen machte es mit seinem rosaroten Anstrich dem Namen Rosenfels wirklich alle Ehre. Da! Neben dem linken Turm arbeitete ein alter Mann mit einer Spitzhacke.
    Er kehrte ihnen den Rücken zu. „Fragen wir ihn!“ sagte Ottokar. Stephan nickte. „Guten Tag“, sagte Stephan, „wir möchten gern...“
    Der Mann drehte sich um und maß die beiden mit einem mürrischen Blick: „Was wollt ihr denn hier?“
    „Wir möchten gern zu...“ Stephan stockte. Den Namen der Direktorin kannte er ja gar nicht.
    In dieser Not griff Ottokar auf Sonja zurück. „Zu Fräulein Waldmann“, sagte er.
    Das schien den Alten zu beruhigen. Seine Züge hellten sich auf: „Soso, zu Fräulein Waldmann. Na, dann kommt mal mit.“
    Er legte die Hacke weg und schritt voran. Stephan und Ottokar sahen sich erleichtert an und folgten ihm. Die erste Klippe war geschafft. Noch immer zeigte sich nirgends ein Mädchen, und so nahmen sie die Gelegenheit wahr, die Stätte ihrer Tat bei Helligkeit zu besehen. Da drüben lag der Schuppen mit der Leiter. Ach, da war ja auch der Holzstoß und darüber die Klassenzimmer. Obwohl Stephan keine Augen im Hinterkopf hatte, beschlich ihn plötzlich das Gefühl, er werde beobachtet. Langsam wendete er den Kopf und richtig: aus einem Fenster des zweiten Stockwerks schauten zwei... drei... vier... fünf Mädchen interessiert herunter. Bei Stephans Kopfwendung verschwanden sie schleunigst, um kurz darauf wieder vorsichtig zu erscheinen.
    Glücklicherweise bog jetzt der Alte nochmals um einen Eckturm. Da war endlich der Eingang. „Wenn ihr zu Fräulein Waldmann wollt“, begann der Mann, während sie eine breite Holztreppe hinaufstiegen, „kommt ihr wohl von ihrem Vater?“
    Neugierig ist der auch gar nicht, dachte Ottokar, und Stephan antwortete: „Ja, wir kommen von ihrem Vater.“ Das war auch nicht geschwindelt.
    „Soso“, sagte der Alte und strahlte, „dann gehört ihr sicher zu den berüchtigten Schreckensteinern?“
    Damit trat er durch eine Glastür in einen langen Flur. Rechts die Fenster zum Hof, links Zimmertüren und dazwischen — wie auf der Burg — Schränke. Eine Tür öffnete sich und ein großes, blondes Mädchen trat heraus. Als sie die drei sah, stockte sie und verschwand wieder ins Zimmer.
    „So, da wären wir!“ Der Alte blieb stehen und klopfte an eine Tür: „Fräulein Waldmann, Sie bekommen Besuch!“
    „Ja, bitte!“ klang es von drinnen.
    Stephan murmelte eine Art „Danke schön“ und ging hinein. Sonja war platt. Sie saß am Schreibtisch, der schräg vor dem Fenster stand, und starrte die beiden an, als kämen sie direkt vom Mars: „Ja, sagt mal, ihr könnt doch nicht einfach hier aufkreuzen?“
    „Och“, antwortete Ottokar, sichtlich erleichtert, vorläufig noch in Sicherheit zu sein, „wir wollten dich nur mal besuchen.“
    Doch es klang wohl nicht sehr überzeugend, jedenfalls schöpfte Sonja Verdacht, und nach einigem Hin und Her rückten sie mit der Wahrheit heraus. Sonja biss sich auf die Lippen und dachte nach: „Ihr bringt mich da in eine ganz verflixte Lage. Die Alte, ich meine Fräulein Doktor Horn, darf auf keinen Fall erfahren, dass ihr mich über den See gerudert habt.“ „Ja, aber...“, wollte Stephan entgegnen.
    Sie schnitt ihm energisch das Wort ab: „Auf gar keinen Fall. Ich bin die jüngste Lehrerin und viel zu kurz hier. Außerdem hat sie ein Vorurteil gegen mich.“
    Jetzt nahm Ottokar einen Anlauf: „Aber Sonja, es sind zwei Unschuldige bestraft worden, das können wir doch nicht auf uns sitzen lassen!“
    „Gut, ich
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