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Auf fremdem Land - Roman

Auf fremdem Land - Roman

Titel: Auf fremdem Land - Roman
Autoren: Luchterhand
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Käse warnte, der den erforderlichen Reifungsprozess nicht durchlaufen hatte, gab die Öffentlichkeit verwirrt auf und blieb lieber hungrig. In dieses Vakuum schlüpfte der Käse der »Käseria Gittit« – eine kleine, ökologische Molkerei-Boutique mit Direktvermarktung, die tatsächlich sogar pasteurisierte Milch verwendete, auf Grund einer Entscheidung, die Otniel am Anfang des Weges getroffen hatte, noch bevor alle möglichen selbsternannten Experten feststellten, dass die Pasteurisierung die guten Enzyme abtötete und den Geschmack zerstörte. Otniel hatte diese schöngeistigen Dummschwätzer schließlich immer wie die Pest gescheut, schon seit den Tagen, als er mit jenem überheblichen Winzer aus Ma’aleh Chermesch die Auseinandersetzung um das Stückchen Land hatte – der Konflikt, dessen Folge in der Praxis zur Erschaffung von Ma’aleh Chermesch 3 geführt hatte. Wie auch immer, die Nachfrage stieg um tausend Prozent, und der Gittit-Käse sollte allerorts im Land zu einem Begriff werden, auch nachdem sich die Wogen der Listeria-Hysterie gelegt hatten.
    Wenn er sich im Stall und in der Molkerei eingesperrt fühlte und sich nach Weite sehnte, zog Gabi los, um die Herde zu weiden. Früher einmal, vor langer Zeit, hatte er sich mit den Ziegen gelangweilt, doch jetzt genoss er jeden Augenblick mit ihnen. Er liebte es, aus der Schlucht hinaus in den Wind zu treten, sich leichtfüßig zu fühlen und nicht dem Ort untertan zu sein. Vielleicht würde er irgendwann das Gefühl haben, dass es an der Zeit sei, den Horizont zu erweitern. Wie Abel, wie unser Urvater Abraham, wie unser König David und Moses, unser Mosche Rabeinu. Auf der Weide, in Gesellschaft der altansässigen Ziegen, der jungen Zicklein und des namenlosen Hirtenhunds – Amalia hatte »Kuschi«, Schwarzer, vorgeschlagen und Scha’ulit »Cosby«, doch Gabi kam das nicht passend vor – fand er Ruhe und Frieden, fühlte sich behütet, zog sich zurück und plauderte mit seinem Gott, betete, sang und freute sich, denn mit Freude zieht dein Gebet ein in des Königs Palast.
    Mit ständiger Freude? Vielleicht nicht immer, denn die Sehnsucht ist unendlich, doch die Leiden sind große Wohltaten, denn die Absicht des Herrn, gepriesen sei er, gereicht sicher nur zum Guten. Jeden Tag ging er zwischen den Hügeln, Feldern und dem Brachland spazieren, ruhte im Schatten und knabberte süßliche Knollen des haarigen Storchenschnabels, liebte seine Tiere, und sie liebten ihn, und am späten Abend würde er, mit Hilfe des Herrn, Scha’ulit umarmen, und der namenlose Hund würde mit seiner kleinen Nase schnaufen und sich mit geschlossenen Augen zu ihren Füßen einkuscheln, sie würde ihm mit ihrer bezaubernden Stimme etwas vorsingen, ihr rotes Haar würde ihn an der Nasenspitze kitzeln, und das Herz würde ihm weit werden in seiner Brust.
    Wind würde vorüberstreichen, Tage fänden ihr Ende, und das Leben ginge weiter: Die Kinder wüchsen heran, die Gläubigen beteten, die römischen Olivenbäume, zumindest der Großteil, würden überleben, so wie sie es jahrtausendelang getan hatten – lange vor und lange nach allen Menschen, die hier für begrenzte Zeit weilten. Die alten Araber, die alles gesehen hatten, begännen ihre Tage wie immer mit zwei Löffeln Naturhonig und drei Löffeln Olivenöl – zu mild und zu klar, dem japanischen Geschmack angepasst –, und die Soldaten würden weiterhin kommen und gehen, hinauf und hinunter, abgelöst werden und wiederkehren, und am Morgen würden die Augen aufgeschlagen, die Sonne ginge über der Wüste auf und versänke am Abend hinterm Berg, bis die Lider sich schlössen, und dazwischen – Arbeit, Gebet, Ruhen und Liebe.
    Ein Schlussbild also in Moll, aus den Tagen nach dem Schneefall – Winter am Hügel, kalt und still draußen, ein paar Kinder auf Fahrrädern, Beilin bellt gelangweilt, nur ein einziges monotones Geräusch kehrt immer wieder: tak-tak-tok, Gabis Hammerschläge, der gemächlich Nägel in die Holzbalken einklopft, die einer auf den anderen gefügt und zu Wänden werden und sein Zimmer wieder ins Leben zurückbringen, das einst war, nicht mehr ist und wieder sein wird. Er klopft und klopft, mit Geduld ohne Ende, und vor dem Hintergrund des Klopfens kommen die Gedanken, tauchen die Erinnerungen auf, an Menschen, die waren und nicht mehr sind, die ihres Weges zogen, die ihre Aufgaben beendet haben; Gedanken an den einen großen, mächtigen, heiligen Gott, der alles sieht und weiß; an einen kleinen Hügel,
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